WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE
: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Der Titel „Nachsommer“ passt schon mal in die Jahreszeit. Aber sonst? Viel Buch, wenig Drama, könnte man über die gut 800 Seiten von Adalbert Stifter sagen, die unter dem Titel 1857 erschienen sind. Der Theaterdiscounter, der nun den waghalsigen Plan in die Tat umsetzt, den Stoff auf die Bühne zu bringen, spricht sogar vom langweiligsten Roman der Welt. Denn Stifter, der seine Geschichte vom Leben und Lieben eines gewissen Heinrich Drendorf verfasste, war ein Meister der Abschweifung. So erfährt man den Namen des Protagonisten erst, als der Roman schon fast zu Ende ist. Georg Scharreg jedenfalls, der diesen Roman aus dem Biedermeier nun auf die Bühne bringt, will darin Parallelen zu unserem Bionade-Biedermeier suchen und finden. Als Schauplatz dafür eignet sich die neue Spielstätte der Discounter im Ballhaus Ost schon mal ziemlich perfekt, liegt sie doch mitten im Einzugsbereich unserer Bionade-Boheme. In der Tribüne am Ernst-Reuter-Platz steht mal wieder ein historischer Stoff auf dem Spielplan, und zwar „Der Kampf des Jahrhunderts“ zwischen Max Schmeling und Joe Louis im Juni 1938 in New York. Weil Louis schwarz war und Schmeling aus Nazideutschland kam steht der Kampf nicht nur sportlich für das 20. Jahrhundert. Damit die Dinge jedoch nicht zu schwergewichtig ausfallen, wird die Geschichte als Box-Musical gegeben. In der Schaubühne ist man ebenfalls historisch. Marius von Mayenburgs Stück „Der Stein“, das Ingo Beck inszenierte, handelt von einem Haus in Dresden und seiner Geschichte, die auch bittere deutsche Geschichte ist. Aber jetzt ist ja alles wieder gut, und am 3. Oktober feiern wir den Tag der Deutschen Einheit. Aus diesem Anlass findet in der Brotfabrik die Premiere des Stücks „Wir sind wieder! wer?“ statt, eine Kombination aus Kabarett und Theater über den alltäglichen Wahn- und Unsinn des Wohlstandorts Deutschland.

„Nachsommer“: Ballhaus Ost, ab So.

„Kampf des Jahrhunderts“: Tribüne, ab Sa.

„Der Stein“: Schaubühne, ab Do.

„Wir sind wieder! wer?“: Brotfabrik, Do. + Fr.