BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER
: So was Gutes gibt’s in Bochum nicht

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das „Florian“ in Berlin-Charlottenburg gilt als „Prominentenlokal“. Also ist es da sicher blöd – oder?

Der Besuch aus dem Ruhrgebiet möchte ausgehen. Und zwar ins Florian in Charlottenburg. Na fein. Es ist dunkel da draußen. Und kalt. Und jetzt auch noch das. „Ich habe nichts anzuziehen“, sage ich.

Und wenn ich etwas hätte, dann wäre es ganz bestimmt in der Wäsche. Eine saudumme Idee, in so ein Prominentenlokal zu gehen. Das ist sicher überbewertet und schief angeschaut wird man bestimmt auch. Der Besuch aber besteht darauf, man trifft sich im Florian in der Nähe des Savignyplatzes. Schrecklich.

Schon ein Blick aus dem Dunkel der Straße durch das große Fenster des Florians relativiert das Gefühl. Sieht gemütlich aus, hell, die Gäste machen nicht den Anschein, als würden sie sich pausenlos Gedanken über ihre Garderobe und die der anderen machen. Auch die Einrichtung ist sehr viel einfacher als erwartet.

Im Florian sitzt man auf Holzdielen und einem roten Teppich, wie er typischerweise im Treppenhaus liegt. Ja. Und die Theke im vorderen Teil des Raumes ist unauffällig, im hinteren Teil sorgt ein Kachelofen in der Ecke, auf dem ein Strauß gelber Blumen steht, für den Eindruck des althergebrachten. Die weiß eingedeckten Tische wirken elegant.

Der Service ist gut. Das ist für ein Restaurant mit dem Ruf des Florians im Prinzip nicht verwunderlich, aber man ist in Berlin vor bösen Überraschungen nicht gefeit. Die Kellner kennen ihr Handwerk, sind freundlich und sogar geistreich. Man möchte einen einfachen offenen Wein? Kein Problem. Man braucht noch mehr Zeit für die Bestellung der Vorspeisen? Geht. Hilfe bei der Wahl der Hauptspeisen? Sicherlich. Das alles schafft das Personal, ohne allzu schleimig zu wirken – auch ein Zeichen von Professionalität.

Nach zehn Minuten im Florian fühlt man sich schon wohl und aufgehoben, richtig gut wird es, sobald das Essen auf dem Tisch steht. Der Besuch schwärmte ja vom Essen hier. Er hat nicht übertrieben. Die gebratenen Shrimps liegen auf Feldsalat mit einem zurückhaltenden, sanften Zitronengrasdressing. Avocadoscheiben werden glücklich mit Orangensoße und süßem Senf kombiniert. Der Braten vom Schwäbisch-Hallischen Landschwein mit Kohlrabi und Knödel, Tafelspitz und Lachsfilet; das alles kann nur gelobt werden.

„So etwas findet man bei uns in Bochum nicht“, sagt der Besuch anerkennend. Sehr gut, das fällt ja auch auf die Besuchten zurück. Wieder was dazugelernt: Das Florian auf den Status „Prominentenladen“ zu reduzieren, ist töricht. Der Besuch aus Bochum wusste das. Glücklicherweise.

RESTAURANT FLORIAN, Grolmanstraße 52, 10623 Berlin, tägl. 18–3 Uhr, (0 30) 3 13 91 84, www.restaurant-florian.de, S-Bahnhof Savingyplatz, Suppen ab 5,50 Euro, Vorspeisen ab 6,50 Euro, Hauptgerichte ab 14,50 Euro