Wieder mal Zeit für Weltrettungsrock: The Magnificent Brotherhood huldigen den Sechzigern, und Siva streifen durch den Schwermutsraum

Daran mag sich niemand mehr so recht erinnern: Aber vor langer Zeit, als noch eine Mauer diese Stadt teilte, war im Westen Berlins musikalisch kaum was los. Neben dann doch ganz stabilen Neubauten und ein paar mehr oder weniger genialen Dilettanten gab es eigentlich nur eine mopsfidele Sixties-Szene, die mit Hilfe von Rüschenhemden und mühsam im Kohlenkeller gezogenen Pilzen versuchte, die Psychedelia wiederzubeleben. Dieser Tradition verpflichtet fühlen sich The Magnificent Brotherhood: Das Quartett spielt einen so liebevoll rekonstruierten Sound, dass man sich nicht wundern würde, wenn sie zu ihren Konzerten von einer blutjungen Uschi Nerke angesagt würden.

Das allerdings müssen sie, solange die Zeitreise in den „Beat Club“ nicht gelingt, im Hier und Jetzt vorerst noch selbst übernehmen: Nachzuhören ist das auf „Live Ammunition“, mit dem ein Auftritt der Band beim Konzert auf der Burg Herzberg dokumentiert wird. Dabei büßt der von der Farfisa-Orgel dominierte und vom Debütalbum aus dem vergangenen Jahr bekannte Sound der Bruderschaft auf dieser Live-Aufnahme nur unwesentlich von seiner eh nicht allzu ausgeprägten Vielschichtigkeit ein, gewinnt dafür aber durch die Spontaneität, mit der bereits bekannte Songs noch einmal interpretiert werden. Zusätzlich finden sich auch neue Stücke (darunter das dreiste Bo-Diddley-Rip-off „Mimi’s Tune“) und Coverversionen, die einen Teil der Einflüsse der Band abstecken, von der Garagenrocklegende Love zu weniger Erwartbarem wie der weitgehend vergessenen amerikanischen Band Hunger. Höhepunkt ist allerdings die mehr als 18 Minuten lange, grandios verdaddelte Version von „The Drifter“ von H. P. Lovecraft (der Band, nicht der Dichter, nach dem sie sich benannt hat).

Nun könnte man sagen: Muss eine Band, die gerade mal eine einzige Platte zustande gebracht hat, gleich ein Live-Album herausbringen? Darauf darf man antworten: Was weißt du schon. Wenn man so begeistert die Sechziger rekonstruiert wie The Magnificent Brotherhood, wenn man ohne Reue den Doors huldigt, den Sonics und all den anderen drogenverseuchten Weltrettungsrockern, dann muss man natürlich auch das Konzert als wichtigste musikalische Manifestation verstehen, deren Kraft im Studio nur bedingt nachzustellen ist.

Eigentlich auch Psychedelia, wenn auch mit gänzlich anderen Mitteln betreiben Siva auf ihrem zweiten Album „Same Sights, New Lights“. Dazu hat sich die Formation um Gitarrist und Sänger Andreas Bonkowski von einer schrammelnden Radiohead-Kopie weiterentwickelt zu einem eigenständigeren Ansatz: Zwischen einer zurückhaltenden Gitarre und gedämpftem Schlagzeug, sparsam eingesetzter Elektronik und butterweichen Background-Gesängen darf die Stimme ganz ungehindert, aber wie verloren durch die weitläufigen Klanglandschaften streichen. Das sind kaum noch Songs, die Siva hier gelungen sind, sondern eher melancholische Miniaturen, Schwermutsräume, Platz für Träume. Irgendwie psychedelisch eben. THOMAS WINKLER

■ The Magnificent Brotherhood: „Live Ammunition“ (www.MagHood.com/shop), 19. 6. Record Release Party im Ballhaus Ost

■ Siva: „Same Sights, New Lights“ (DevilDuck/Indigo), 19. 6. Record Release Party im Maschinenhaus