Weltrettung 2.0

Digitale Zukunft: Die „Socialbar“ vernetzt zivilgesellschaftliches Engagement

Zur Rettung der Welt musste man sich bislang an Schienen ketten oder an Bäume (tut weh). Musste mit kippeligen Schlauchbooten aufs offene Meer paddeln (anstrengend) oder ungesichert auf Hochhausdächern rumhüpfen (gefährlich). Dies alles meinten die Weltenretter bisher auf sich nehmen zu müssen, um ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Aber das alles könnte sich ändern: Die Szene der Weltretter hat Anschluss gefunden an die digitale Zukunft.

Dafür arbeitet die „Socialbar“ seit genau einem Jahr. Das ehrenamtliche Projekt nennt sich ein „Vernetzungstreffen von Weltverbesserern“, es will NGOs mit den Kommunikationsmöglichkeiten des Internets ausstatten. Dafür bringt es einmal pro Monat Non-Profit-Organisationen mit Internetexperten zusammen. Am Ende sollen sich die Aktivisten untereinander besser vernetzen können – und außerdem attraktiver werden für jüngere Leute, die ihre Informationen bekanntlich in beträchtlichem Ausmaß aus dem Internet beziehen.

Sophie Scholz ist eine der Initiatorinnen der Socialbar. Sie lobt die Vielzahl von Möglichkeiten, die das Web 2.0 für zivilgesellschaftliches Engagement bereithält. „Die meisten NGOs sind klassisch organisiert: hierarchische Strukturen, traditionelle Pressearbeit mit Flyern und Info-Kampagnen in der Fußgängerzone. Mit der Socialbar wollen wir sie an die Kultur des Web heranführen.“ Und an die Tools des Web, also die Kommunikationsprogramme, mit denen man schneller als das Fernsehen und weitreichender als die Post viel mehr Menschen erreichen kann. Und deshalb laufen die monatlichen Treffen in Berlin so ab: Nach einem halbstündigen Networking – einem nicht moderierten Gespräch der Teilnehmer – umreißt ein Referent den Gedanken des Web 2.0. Um die weniger Internetaffinen nicht vor den Kopf zu stoßen, die das Wort Twitter bisher nur aus der Ferne gelesen haben. Dann gibt es drei kurze Vorträge, an die sich je eine kurze Diskussion anschließt.

Man fragt, was Soziale Netzwerke wie Facebook für die Öffentlichkeitsarbeit von NGOs leisten können, wie alternative Altersvorsorge aussieht oder wie man den Atomausstieg selber machen kann. „Es geht uns um einen Wandel im Selbstverständnis der NGOs“, sagte Scholz. „Weg von einem ‚Wir-senden-Info‘ hin zu einem ‚Ihr-dürft-mitgestalten‘. Dafür wollen wir den Rahmen bieten.“ Referenten werden eingeladen, die Begriffe erklären und technische Einführungen geben. „Wir geben nur die Impulse“, sagt Scholz. Und dann entwickelten sich aus den Gesprächen mitunter eigene Projekte: übergreifende Internetplattformen, gemeinsame Printprodukte, und manchmal würden in den Pausen sogar auch Jobs vergeben.

In vierzehn Städten gibt es mittlerweile Socialbars, jede Community hat ihre eigenen Regeln. In Hamburg zum Beispiel versteht man sich eher als Kreativwerk. Sophie Scholz ist von Haus aus Umweltpsychologin. Vor zwei Jahren hat sie fairdo.net gegründet, ein Social Network für politisch engagierte Menschen. Dort hat sie die Vorteile einer intensiveren Vernetzung kennengelernt. „Normalerweise veranstalten NGOs regelmäßig Kongresse, aber zwischendurch flaut die Kommunikation ab.“ Mit dem Netz lassen sich solche Phasen überbrücken. „Außerdem kann das Netz die Szene der Weltverbesserer transparenter machen und demokratisieren“, sagt Scholz. Der basisdemokratische Gedanke der 70er lasse sich genau hier verwirklichen. „Man kann zum Beispiel leichter nachvollziehen, wohin Gelder fließen und Mitglieder stärker in Entscheidungsprozesse miteinbinden.“ Sophie Scholz sagt, den klassischen NGOs erwachse derzeit eine starke Konkurrenz durch Onlinevereine und Aktivisten. „Die Organisationen stehen unter Druck und müssen reagieren.“ Besonders für das Thema Fundraising sei die digitale Zukunftsfähigkeit von großer Bedeutung. Der Großteil der Spender sei zwischen 40 und 50 Jahre alt. „NGOs müssen jetzt die Mitte-20-Jährigen ansprechen, die noch nicht spenden: Das wäre nachhaltiges Fundraising.“

Heute feiert die Berliner Socialbar ihren ersten Geburtstag im tazcafé in der Rudi-Dutschke-Straße 23. Wie immer gibt es drei Vorträge, diesmal zu den Themen „Facebook, Twitter und Co. im Einsatz bei entwicklungspolitischen NGOs“, „Erfahrungen mit Repair Berlin – Stadt zum Selbermachen“ und zur selbstreferenziellen Frage „Organisationen im nachhaltigen Projektmanagement befähigen am Beispiel der Socialbar“.

Beginn ist 19 Uhr, eingeladen sind alle.

www.socialbar.de