Kratzfuß, Knicks … schon höflich, aber keineswegs nach Knigge

Zuerst einige Benimmregeln: Da hätte man zum Beispiel 1.) den Kratzfuß, für den während der Verbeugung ein Fuß nach hinten über den Boden gezogen wird, wodurch dann ein kratzendes Geräusch entsteht. So einen Diener macht der Mann. Und das Mädchen macht entsprechend 2.) einen Knicks, was einem beidseitigen leichten Einknicken der Knie entspricht. Das sind so körperliche Höflichkeitsfloskeln, die 3.) überhaupt nichts mit dem Adolph Freiherr Knigge zu schaffen haben, so dass man sie hier am besten auch gleich wieder vergessen könnte, wenn sie sich nicht sowieso bereits weitgehend im Leben verloren hätten. Es ist halt eines dieser Missverständnisse: dass der Knigge heute mit seinem Namen meist für einen Benimmratgeber herhalten muss. Dabei hatte der Schriftsteller und Aufklärer mit solchen gesellschaftlichen Pingeligkeiten gar nichts im Sinn, als 1788 erstmals „Über den Umgang mit Menschen“ erschien, Knigges bekanntestes Werk, das man statt als Benimmführer doch eher als angewandte Soziologie lesen sollte. Mehr Knigge gibt es in einer ganz frischen vierbändigen Werkausgabe, die heute Abend im Literaturhaus mit einem einleitenden Essay von Sibylle Lewitscharoff („Apostoloff“) vorgestellt wird. Frank Arnold wird ausgewählte Texte Knigges lesen. TM

■ A. F. Knigge: Literaturhaus Berlin, Fasanenstraße 23. Mittwoch, 24. März, 20 Uhr. 5/3 Euro