Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Der Kollege Gunnar Lützow, mit dem ich Jan ImberisTrift“-Ausstellung bei Laura Mars anschaute, hatte sofort den richtigen Riecher. Angesichts der Fichten und Kiefernstämme, die Imberi mit weißer Kalkfarbe so markiert hat, dass sich mit der Markierung ein eigenständiger Raum herauszubilden scheint, herausgelöst aus dem Waldraum, fragte er: „Du kommst doch von der Street Art?“ Tatsächlich war Imberi in seiner Frankfurter Zeit an Aktionen beteiligt, bei denen etwa das Marriot-Hotellogo plötzlich als „riot“ in die Nacht strahlte. Doch inzwischen haben Imberis Fotografien, Videos und Skulpturen ihren Ursprung im Wald. So zeigt das eine der zwei Videos in der Galerie eine schwerelose Kamerafahrt durch eine Landschaft ohne Horizont. Denn die Kamera schwebt übermannshoch zwischen Bäumen hindurch, wodurch das Bild unentwegt das All Over eines vegetabilen Dickichts zeigt, das wir Natur nennen. Auch hier ist der Raum wie in den Fotos der Kalkstämme undefinierbar. Das andere Video dokumentiert die Trift eines Verbunds von vierzig Baumstämmen, die von Imberi die Spree hinunter bis nach Kreuzberg geflößt wurden, wo er mit ihnen, dort, wo die Cuvrystraße an der Spee endet, eine Art Lagerfeuer aufgebaut hat. Der Natur nimmt auch Yvonne Roeb den Horizont. Jedenfalls insoweit sie ihr in ihren Skulpturen in der Galerie Wilma Tolksdorf stets einen unwirklichen, surrealen Dreh gibt. Da wachsen dann aus einem Baumstamm statt Wurzeln und Ästen das Skelett von Fuß- und Handknochen heraus, während ein vermeintlich marmorner menschlicher Halbakt in Pferdehufen endet. Anders als Imberi erschließt Roeb keinen analytisch zu befragenden, sondern einen fantastisch fortzuspinnenden Naturraum. Doch auch sie fragt, was wir mit ihm anstellen, indem sie eine schneeweiße Hand ein Insekt an den Flügeln festhalten lässt.

■ Jan Imberi: „Trift“, Galerie Laura Mars, Sorauer Str. 3, bis 30. Juni, Di.–Fr. 13–19, Sa. 12–16 Uhr, Skulptur in der Cuvrystr. 1

■ Yvonne Roeb: „Alle Zeit wach“, Galerie Wilma Tolksdorf, Zimmerstr. 88/91, bis 26. Juni, Di.–Sa. 11–18 Uhr