Mundräuberin der Herzen

Es heißt, die New-Wave-Ikone Lydia Lunch habe sich ihren Namen damit verdient, dass sie des Öfteren befreundeten KünstlerInnen die Zutaten fürs Mittagessen zusammengeklaut habe. Die zumindest im deutschen Sprachraum erkennbare Ironie liegt in ihrem ursprünglichen Namen: Lydia Koch. Es ließe sich noch kalauern, dass sie in der taz jetzt also Dutschke heißen müsste, aber nein, so billig soll kein Scherz eingekauft sein, das wäre völlig unangemessen. Lunch hat sich einen Namen gemacht weit über die Grenzen ihres unterernährten engeren Zirkels hinaus mit konfrontativen und provokanten Auftritten als Sängerin, Schauspielerin, Spoken-Word-Artistin und Dichterin. Der Humus ihrer Kunst ist der behauptete Wahnsinn, der Selbstzerstörungs- und Offenbarungsdrang der Person Lydia Lunch. Dass es dabei nicht um Selbstdarstellung als Selbstzweck zu tun ist, sondern um die leidenschaftliche Öffnung des Ich mit dem Ziel, die Welt besser zu verstehen, einzugreifen und zu verändern, wird schnell deutlich. Mit einem offensivem Feminismus, der Ablehnung überkommerzialisierter Verkaufswege für ihre Musik und der teilweise recht martialischen Erscheinung ist Lydia Lunch seit 35 Jahren ein politisches Gesamtkunstwerk, die ganz passenderweise das Herzas im „Postmodernen Pinup-Kartenspiel“ der feministischen Pornoaktivistin Annie Sprinkle ist und am Sonntag ausgerechnet im Wild at Heart auftritt, was als angemessen ironische Note wohl so stehenbleiben kann.

■ Lydia Lunch & The Big Sexy Noise: 13. März, 22 Uhr, Wild at Heart, Wiener Str. 20