Wo bin ich denn hier gelandet?

Der Leiter der Walther von Goethe Foundation in Reykjavík, die sich, gegründet nach der Schließung des offiziösen Goethe-Instituts, unter Androhung einer hohen Schadensersatzsumme NICHT als privates Goethe-Institut bezeichnen darf, ist der Künstler Wolfgang Müller. Mit weniger Humor ausgestattet, wäre er sicher ein guter Kandidat für die globale Künstlerverschickungen des „richtigen“ Goethe-Institutes. Der nötige Ernst (nicht zu verwechseln mit Ernsthaftigkeit) scheint Müller seit mindestens drei Jahrzehnten zu fehlen, so lange macht er öffentlich wahrnehmbar Kunst, Musik, Literatur, auch Nachdichtungen und Übersetzungen inzwischen, in das und aus dem Isländischen vor allem. Über solch lange Zeiträume lernt ein Mensch natürlich viele andere kennen und sieht eine Menge Betriebsamkeit, Moden, Arschlöcher, Witze, Abgründe, Regressionen und manchmal interessante Entwicklungen gar. An den einen hat der Mensch direkt mitgewirkt, die anderen kommentierend begleitet, und wieder andere kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. So kommt es, dass Müller auf nicht wenigen Gebieten der einzige zitierfähige Experte ist, zitierfähig für ihn zumindest. Eine Kunst, die er im letztjährigen Valeska-Gert-Band recht ansprechend vorgeführt hat. Dieses Jahr, heute!, präsentiert Wolfgang Müller ein Buch namens „Kosmas“. Darin erzählt jemand aus zukünftiger Perspektive über den Kunstbetrieb im Besonderen und die Welt im Allgemeinen; da erzählt jemand über eine Menge Betriebsamkeit, Moden, Arschlöcher, Witze, Abgründe, Regressionen usw., usf. …

Allein die Exposition lässt einen schwindlig werden. Das beiläufig eingeführte Personal schwirrt durch die Seiten und bewegt sich dabei zügig, immer wieder von Erläuterungen zur allgemeinen Lage unterbrochen, auf einen großen, stinkenden Irrsinn zu. Allen, die glauben, Wolfgang Müller hätte eventuell eine Meinung zu ihnen, sei die Lektüre empfohlen, denn: ja, er hat. Dass er Menschen, Objekten, Projekten ihre bekannten Namen lässt, ist dabei keine Tratschsucht; die gewählten Namen und Titel sind Funktionen und als solche ausgewählt, im Text verwurstet zu werden. Insofern ist die einleitende Bemerkung des Autors, dass sämtliche Personen des Buches frei erfunden seien, absolut korrekt. Das ist keine Höflichkeit, sondern betont die funktionale Austauschbarkeit der am Ende doch wieder namenlosen Masken.

Um die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Na ja, Sie sind nicht in der Morgenpost gelandet, aber keine Sorge: das passt schon. Wenn Sie jetzt wissen möchten, auf was genau Frage und Antort hier gründen, sei Ihnen empfohlen, heute (7. Mai, 18 Uhr) zur Buchpräsentation und Vernissage ins Rumpsti Pumpsti (Weserstr. 165, Neukölln) zu gehen, sich das Künstlergespräch mit Wolfgang Müller und Max Müller (der die Zeichnungen zum Buch beigesteuert hat) anzuhören und dann vielleicht ein Exemplar zu erwerben. Sehr aufmerksam. KRT