Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

In seiner Medea-Trilogie „Verkommenes Ufer | Medeamaterial | Landschaft mit Argonauten“ denkt der Dramatiker Heiner Müller drei neuralgische Punkte der europäischen Kultur zusammen: den Widerstreit der Geschlechter, die Opposition zwischen Zivilisation und Barbarei, den Gegensatz zwischen Vernunft und Natur. Am Ende steht die Idee der Frau als Retterin des europäischen Gedankens. Am Deutschen Theater hat einmal wieder Dimiter Gotscheff sich eines Müller-Werkes angenommen, einer der letzten Arbeiter am Heiner-Müller-Komplex. Denn inzwischen gilt es auch stets, den Staub zu befragen, der sich seit Müllers Tod auf dessen Texten abgelagert hat. Am Sonntag treten in dieser Sache drei First-Class-Spieler zur Verteidigung von Müllers Platz in der deutschen Theater- und Literaturgeschichte ein: Margit Bendokat, Wolfram Koch und Almut Zilcher. Längst sicher ist hingegen Heinrich von Kleists Platz in der Literatur- und Theatergeschichte, obwohl anfangs kein geringerer alt Goethe gegen ihn war. Kleists Erzählung „Die Marquise von O...“ ist in dieser Woche Gegenstand einer theatralischen Befragung des Performance-Kollektivs She She Pop. Am Freitag ist im Maxim Gorki Theater im Rahmen des Kleist-Festivals zu dessen 200. Todesjahr Premiere. Am Donnerstag wird in Berlin außerdem das internationale Festival No-Limits eröffnet. Barierrefreies Theater, was Stoffe, Spieler und Fornate betrifft. Bis zum 20. November zeigen mehr als 200 behinderte und nicht behinderte Künstler aus Europa und Übersee Kunst von den Rändern der Gesellschaft und jenseits der üblichen Weltwahrnehmung, und zwar in der Kulturbrauerei, dem Ballhaus Ost, im HAU und anderen Orten, die sie für die Dauer des Festivals zu Experimentierfeldern der internationalen inklusiven Leit-Kultur machen werden.

■ „Verkommenes Ufer ...“: Deutsches Theater, ab So.

■ „Die Marquise von O“: Maxim Gorki Theater, ab Fr.

■ Festival No-Limits, 11. - 20.11.