Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Unter der Überschrift „Nordwind“ weht in dieser Woche jede Menge Theater aus dem Norden Europas nach Berlin, um Perspektiven auf einen Kulturraum eröffnen, die hierzulande noch von romantisch-freundlichen Klischees leicht vernebelt sind. Das fängt schon mit der Rocky-Horror-Ibsen-Show „John Gabriel Borkman“ des Duos Vigne/Müller im Prater der Volksbühne an, die das Festival am Freitag eröffnen wird – von der Bild-Zeitung längst zu Berlins perversestem Theaterstück gekrönt. Aber auch der Name des finnischen Regisseurs und Dramatikers Kristian Smeds steht nicht für familienfreundlich designte Welten. Eher im Gegenteil. Seine Variation eines Dostojewski-Klassikers, die unter dem Titel „12Karamasows“ am 1. Dezember Premiere hat, macht ganz andere Fässer auf. Zu den Highlights des Festivals gehört auch die Produktion „Worship“ der finnischen Formation „Nya Rampen“, die ab kommenden Dienstag anhand von Shakespeare ans Eingemachte von Fragen des Glaubens und der Kunst gehen will. Kernfrage: Ist das Theater die neue Kirche?

Die nächste Schaubühnen-Premiere am Freitag passt ebenfalls gut ins Bild der nordischen Kultur als Klammer zwischen westeuropäischer und russischer Seele, obwohl die Puschkin-Adaption „Eugen Onegin“ des lettischen Regiestars Alvis Hermanis ganz unabhängig davon herauskommen wird.

Einen ganz anderen Kulturraum erforscht unter der enigmatischen Überschrift „Lila Risiko Schachmatt“ der Heimathafen Neukölln. Ab Donnerstag gibt es dort deutsche Erstaufführungen von Stücken aus Syrien, Marokko und den palästinensischen Autonomiegebieten. Den Auftakt macht der Doppelabend aus den Stücken „Rückzug“ des syrischen Dramatikers Mohammad Al Attar und „603“ des palästinensischen Schauspielers und Dramatikers IImad Farajin.

■ Nordwind Festival: 25. 11.–16. 12. www.nordwind-festival.de

■ Eugen Onegin: Schaubühne, ab Freitag

■ Lila Risiko Schachmatt: Heimathafen Neukölln, ab Donnerstag