Kolumne Klatsch: Beniner Depesche

Worüber die Menschen in Afrika lachen, wenn sie nicht gerade an Aids, Hunger oder Völkermord sterben.

Es gibt ein Afrika jenseits von Hunger, Aids und Völkermord. Leider erfährt man darüber nur selten etwas. Ganz Afrika gilt ja als ein einziges Katastrophengebiet. So steht es in der Zeitung und so bringen es die Fernsehnachrichten. Wir fühlen uns gut informiert.

Ich war gerade in Benin, einem Land, von dem ich vor kurzem nicht einmal wusste, wo es liegt: neben Togo und Nigeria im Westen des "schwarzen Kontinents".

In Benin gibt es kaum Tourismus und keine Bodenschätze. Ich sollte für eine deutsche Redaktion über die Baumwollbauern im Norden des Landes berichten. Eine Gegend, in der die Bewohner nach unseren Kriterien sehr arm sind, jedoch nicht hungern. Ihre runden Lehmhütten sind mit Strohdächern gedeckt und sahen vor 2.000 Jahren wahrscheinlich nicht anders aus als heute.

Vor den Hütten kochen die Frauen auf Feuerstellen und in Holzmörsern zerstampfen sie den Mais. Kinder und Ziegen rennen um die Hütten. Viele Frauen laufen barbusig herum.

"Guten Tag, ich komme aus Deutschland und möchte ein paar Fragen stellen."

Freundlich antworteten mir die Dorfbewohner, dann bot ich ihnen an, ihre Fragen zu beantworten. Mehrere Frauen unterschiedlichen Alters standen um mich herum und stellten Frage eins: "Bis du verheiratet?"

"Ja."

Frage zwei: "Seit wann?"

"Zehn Jahre."

Und Frage drei: "Wie viele Kinder hast du? "

"Eins."

Mit dem daraufhin einsetzenden Geschrei und Gelächter hatte ich nicht gerechnet. Sie wollten sich gar nicht mehr beruhigen, und aus den umliegenden Hütten liefen immer mehr Frauen zusammen, um mich anzuschauen.

"Er ist zehn Jahre verheiratet und hat ein Kind", riefen sie und lachten dabei, als hätte ich soeben den besten Witz aller Zeiten erzählt.

"Und was machst du nachts?", wollte eine von mir wissen, "bist du müde und schläfst die ganze Zeit? Unsere Männer sind nicht müde. Sie arbeiten nachts", sagte sie und machte eine eindeutige Bewegung mit dem Becken. Ich lachte notgedrungen mit.

So wurde ich in meinem ganzen Leben noch nicht ausgelacht.

"Sagt mal", fragte ich, als es etwas ruhiger wurde, "die vielen Risse in den Wänden eurer Hütten, kommen die auch von der harten Nachtarbeit? Arbeiten eure Männer so heftig, dass die Wände wackeln?"

Jetzt hatte ich wenigstens die Lacher auf meiner Seite. Sie kreischten vor Freude und wir konnten dann auch noch über unwichtigere Dinge des täglichen Lebens reden.

Dann ging es weiter zum König des Gebietes.

Der König von Oassa Pohenco saß auf einem hölzernen Thron in einer etwas größeren Hütte, und vor seinem Thron lag ein kleiner Plüsch-Löwe als Bewacher. Nachdem ich mir das Lachen verkniffen, mich vorgestellt und den Satz kaum ausgesprochen hatte, dass wir in Deutschland keinen König hätten, hob seine afrikanische Majestät zu einer längeren Rede an.

Das sei ja nicht immer so gewesen, referierte er auf Französisch. Der letzte deutsche König, Wilhelm II., habe schließlich erst 1918 abgedankt. "Sein Vater, Wilhelm I., hat den Krieg gegen die Franzosen gewonnen, den Bismarck mit der Emser Depesche 1870 losgetreten hat."

Ich hatte ja mit vielen deutschen Wörtern gerechnet, die man auch in entlegenen Weltgegenden als Deutscher zu hören bekommt. Mit "Rummenigge" oder "Hitler". Auch auf "Mercedes", "Oktoberfest " oder "Sauerkraut" wäre ich durchaus vorbereitet gewesen. Aber "Emser Depesche"?!

Ich saß in einem Dorf in Benin, in dem es weder Strom noch eine Telefonverbindung gab, in dem barbusige Frauen den Mais in Mörsern zerstampften - und da erzählte mir jemand etwas von der "Emser Depesche"!?!

Etwas beschämt verabschiedete ich mich vom König. Er winkte mir freundlich zu.

Draußen standen die Frauen und lachten wieder, als sie mich sahen.

Fragen zum König? kolumne@taz.de Montag: Kirsten Reinhardt KATASTROPHEN

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