Rollender Mittelfinger

General Motors versucht verzweifelt, seine groteske Marke „Hummer“ zu verkaufen. Haben will sie niemand

„Was würde Jesus fahren?“ – eine Gruppe evangelikaler Christen verkündete bereits ihre Exegese: ganz bestimmt keinen Hummer. Und wer wissen will, was diese Automarke und ihre Modelle wie H2 auf Webseiten an Emotionen provoziert, wird fix fündig: „Fuck You and Your H2“, „ein rollender Mittelfinger“. Denn wer im Rückspiegel die Front eines Hummers entdeckt, bleibt nicht gelassen: die monströsen Ausmaße des Stadtpanzers lassen den Insassen kleinerer Autos selten eine Chance, wenn’s kracht.

Zeitenwende: Die gewaltigen Geländewagen verstopfen derzeit nicht mehr nur die Parkhäuser, sondern auch die Höfe der Autohändler: Einst beliebt und begehrt, um aufzufallen und den frischen Donut unbeschadet heimzubringen, sind auch in den USA immer weniger bereit, das gröbst gezeichnete Automobil auf breiten Rädern bei steigenden Energie- und Ölpreisen zu tränken: 15 Liter verbraucht ein Hummer auf 100 Kilometer.

Mangelnde Verkäufe vermiesen dem Mutterkonzern General Motors nicht nur die Bilanz, sondern auch das Image: Er steht wie kein zweiter Wagen für eine wirtschaftlich wie militärisch begründete „Leck mich“-Haltung, die den USA derzeit rezessionsbedingt auf die Füße fällt. Und: Der beräderte Klotz wird zum tonnenschweren Klotz am Bein: Denn nach dem jetzt getroffenen Entschluss von GM, die Marke abzustoßen, findet sich keine neue Mutter, die sie überhaupt haben will. Der Hummer ist verstoßen, der Hummer ist tot, sein Aus besiegelt gleichzeitig das Ende einer Ära vermeintlich unendlichen Wachstums.

Ausgerechnet Arnold Schwarzenegger entwickelte sich 1991 nach Ende des Golfkriegs zum Markenbotschafter. Einst als Militärfahrzeug entwickelt, wurde der Hummer für den US-Asphalt auf Highways und Einkaufsstraßen mehr schlecht als recht „zivilisiert“ und schnell erfolgreich. Wer Hummer fuhr, konnte sich in Restaurants auch häufig Hummer auf dem Teller leisten, er löste die Stretch-Limousine als Phallussymbol ab. Preis des Geländewagens: mehr als 50.000 Dollar. Konstruiert ist der Mega-Jeep dafür, dass er seine Passagiere selbst über Strecken mit bis zu 70 Zentimeter tiefen Löchern trocken und ohne Stocken trägt. Für die meisten Autofahrer aber war der Hummer mehr ein Ärgernis: Rollt ein Hummer vor der eigenen Autoschnauze, konnten sich alle Fahrer in der Einfahrt zum Wal-Mart sicher sein: Der besetzt gleich zwei Parkplätze. In Europa blieb der Wagen, wie die meisten US-Produkte, ein Außenseiter.

Zeitgleich mit der US-Immobilienblase erreichte der Absatz der Marke 2006 mit rund 76.000 Fahrzeugen seinen Höhepunkt. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Verkauf jedoch mittlerweile um die Hälfte eingebrochen, 20 Händler sind pleite. BN, FX