Bankchef Josef Ackermann: Ein Banker geht büßen

Den Triumph, kein Rettungsgeld anzunehmen, begleitet Josef Ackermann mit einer Demutsoffensive. Jeder soll sehen, wie viel der Chef der Deutschen Bank dazugelernt hat.

Auch fünf Jahre später hängt dem Deutschen Bank-Chef Josef Ackermann das Victory-Zeichen noch nach. Bild: dpa

BERLIN taz Lange haben sie sich weggeduckt. Als der Bundestag das Rettungspaket für die Bankbranche durchwinkte, war von den Chefs der Geldhäuser nichts zu hören. Dass sie insgeheim mitmischten, dass sie sich zur Krisensitzung im Kanzleramt einfanden, wusste man wohl. Öffentlich rechtfertigen mussten sich aber Politiker für die Risiken, die sie den Steuerzahlern nun aufbürdeten. Eine politische Klasse, die von den Wirtschaftslenkern jahrelang nur verhöhnt wurde, stand nun für die Folgen gerade.

Nachdem die Politik das Schlimmste verhütet hatte, fanden die Bankchefs ihre Fassung rasch wieder - und merkten zugleich, dass sie der Öffentlichkeit nicht länger ausweichen konnten. An die Spitze der Bußgänger setzte sich Josef Ackermann, der als Chef der Deutschen Bank die Staatshilfe verweigerte und deshalb fast schon den Status eines außenstehenden Beobachters beansprucht.

Es ist allerdings eine geschützte Form von Öffentlichkeit, die Ackermann seit Tagen sucht. Der gebürtige Schweizer gab der heimischen NZZ am Sonntag ein Interview, er diskutierte in einer Schule am Taunusrand mit Kindern, er äußerte sich am Rande einer Bankentagung. Dass man ihn verhaften will, wie es Linken-Präsidentschaftskandidat Peter Sodann ankündigte, muss Ackermann in solchem Rahmen nicht befürchten.

Am Dienstagabend machte er auf seinem Bußgang in der Katholischen Akademie Station, am Rand des Berliner Regierungsviertels. Dass er in der Frage, ob die Bankenaufsicht auch über Geschäftsmodelle bestimmen solle, "vom Saulus zum Paulus" geworden sei, hatte Ackermann leider schon tags zuvor in Frankfurt gesagt. Für die Berliner Christen hatte er sich noch das Bonmot aufgehoben, sein Institut wolle "an der Bittstellerprozession nicht teilnehmen".

Jenseits solcher Flapsigkeiten war der Ort des Auftritts nicht frei von tieferen Bezügen, hatte die katholische Kirche zum Kapitalismus doch immer ein ambivalentes Verhältnis. In traditioneller Kritik am Zinsgeschäft befangen, ersann sie am Ende des Mittelalters erstmals die Verbriefung und den Weiterverkauf überirdischer Risiken zum Zweck irdischer Profite: den Ablasshandel. Dass deren breite Streuung immense Gefahren für das Geschäftsmodell barg, sollte die Kurie erst 1517 entdecken, als der Augustinermönch Martin Luther mit seiner Globalisierungskritik die öffentliche Meinung wie im Sturm eroberte.

Mit der katholischen Gegenreform brachte sich das Papsttum wieder in die Offensive, am Ende agierte es schlagkräftiger als zuvor. Ähnliches hat nun auch Ackermann im Sinn. Er sagte voraus, sein Institut werde gestärkt aus der Krise hervorgehen. Gerade wegen der verbreiteten Unsicherheit gebe es bei den Anlegern eine "Flucht in die Qualität", seit Januar vorigen Jahres seien der Deutschen Bank rund 80 Milliarden Euro an frischem Geld zugeflossen.

Zugleich hat Ackermann dazugelernt, und vielleicht hilft es ihm heute, dass er schon vor fünf Jahren durch die mediale Hölle ging, als er im Düsseldorfer Prozess um überhöhte Abfindungen bei Mannesmann die Finger zum Victory-Symbol spreizte. Der Vorstandschef solle "mehr Demut zeigen", verlangten damals namhafte PR-Berater.

Sie haben es ihm gründlich beigebracht. Der Mann, der das staatliche Rettungsgeld verschmäht, vermeidet dabei jede Triumphgeste. Bei heiklen Fragen senkt er in Berlin den Blick auf seine Hände, als wolle er vermeiden, dass sie sich noch einmal zur fatalen Geste erheben. "Menschen wollen erfolgreich sein auch in Zeiten, die zu Übertreibungen neigen", erklärt er den Weg in die Krise. "Sie haben Angst, wenn sie zu früh Nein sagen, dass sie dann gar nicht mehr im Geschäft sind."

Mag sein, dass Ackermann tatsächlich schlauer war als manch andere. Dass der Ökonom, der vor mehr als dreißig Jahren über den "Einfluss des Geldes auf das reale Wirtschaftsgeschehen" promovierte, die Wirklichkeit weniger aus dem Auge verlor und die Warnzeichen früher sah. Früher womöglich auch als seine Kunden, was wiederum ein heikles Thema ist. "Wir haben eigentlich nicht investiert in die Produkte", sagte er in Berlin. "Wir haben sie gekauft, um sie neu zu verpacken und weiterzugeben." Das unterscheidet selbst den geläuterten Ackermann immer noch von den Politikern: Anders als jüngst der italienische Agrarminister im Skandal um verseuchte Lebensmittel ist er keiner, der den giftigen Mozzarellakäse selber isst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.