Geteiltes Leid

Die Eltern von zwei in Tschechien vertauschten Babys erhalten unterschiedlich hohen Schadensersatz

Rekordverdächtig wie umstritten ist das Urteil zum Fall der vertauschten Kinder aus dem tschechischem Třebíč: Ein Gericht verdonnerte das Krankenhaus des mährischen Städtchens nun zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 3,3 Millionen Kronen (120.000 Euro). Ein bahnbrechendes Urteil, glauben tschechische Rechtsexperten, die an weitaus geringere Entschädigungszahlungen gewöhnt sind. Außergewöhnlich jedoch auch der Fall selbst.

Kurz nach ihrer Geburt im Dezember 2006 wurden im Krankenhaus von Třebíč zwei kleine Mädchen vertauscht. Fast ein Jahr lang lebten Nikolka und Veronika bei den falschen Eltern. Die Sache flog auf, als der Vater eines der Babys sich einem DNA-Test unterzog. Es war ihm aufgefallen, dass „seine“ Tochter ihm in keiner Weise ähnelte. Dass es sich aber um weit mehr mehr als ein Kuckuckskind handelte, wurde klar, als auch der DNA-Test der Mutter negativ anzeigte. Heute leben die Mädchen zwar bei ihren richtigen Eltern. Opfer bleiben sie dennoch.

Jaroslava Trojanová, die Mutter der kleinen Nikolka, tut sich schwer damit, ihr eigenes Kind zu lieben. Sie hängt noch immer an der Nikolka, die sie nach der Geburt mit nach Hause brachte und die eigentlich Veronika heißt. „Ich wollte meine Tochter nicht sehen. Ich hielt meine Nikolka fest und wollte sie nicht hergeben,“ erzählte Jaroslava Čermáková vor Gericht.

Veronikas Eltern, die Čermáks, haben durch die Verwechslung den Weg zueinander verloren. In der Ehe kriselt es, schon viermal habe sie die Scheidung einreichen wollen, sagte Veronikas Mutter, Jaroslava Čermáková. Ihr Mann hingegen versucht seine Gefühle zu betäuben: „Ich trinke Wein, damit ich nicht die ganze Zeit darüber nachdenken muss“, sagte Jan Čermák bei Gericht aus.

Die Ehekrise der Čermáks ist einer der Gründe, warum das Gericht ihnen 900.000 Kronen (24.000) Euro mehr Schadensersatz mehr zusprach als Nikolkas Eltern Jaroslava Trojanová und Libor Broža. Denn während das Gericht den Čermáks 56.000 Euro zusprach, blieben für Nikolkas Eltern 32.000 Euro.

Ein weiterer Grund für das zweischneidige Urteil: Nikolkas Eltern waren in Deutschland bei der ZDF-Talkshow Johannes B. Kerner zu Gast. Dort hätten sie ihre Geschichte vermarktet, so der Richter. Und erhielten immerhin für ihren Auftritt ein Honorar vom ZDF. SASCHA MOSTyN