DAS GIBT ZU DENKEN

Selten sah man so viel Mitgefühl: Bild hat den Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus interviewt am Bodensee, wo er genest. Sachte stellten Chefredakteur Kai Diekmann und Hans-Jörg Vehlewald ihre Fragen nach Glaube, Schuld und Erinnerung. Gebannt ist diese Orgie der Emphase auf Fotografien, genauer gesagt auf 21 Aufnahmen, die Althaus mit Diekmann, in angenehmer Dezenz, zeigen. Gestenreich schildert Althaus sein Seelenleben, der Interviewer Diekmann widmet ihm all sein aktuelles Gefühl, kratzt sich am Kinn, vergräbt die Hände in den Hosentaschen, einmal schreibt er sogar mit. Im Inselhotel in Konstanz sitzen sie am Tisch, stehen dekorativ vor der Stofftapete, dann Tapetenwechsel: hinunter zum See. Auf dem vielleicht schönsten Bild lauscht Diekmann dort tiefbetroffen mit verschränkten Armen Althaus’ Seelenleben, im Hintergrund trauert eine nackte Trauerweide. Zu sehen ist all das auf der Internetseite von Bild. Für solche Bildstrecken wurde das Internet erfunden! Welche Dokumentation journalistischer Zurückhaltung! Am See hält Diekmann mutmaßlich sogar Zettel mit Fragen in Händen, allerdings eingerollt. Schließlich kann er die auswendig: Wie fühlen Sie sich? Was haben Sie empfunden? Woran erinnern Sie sich? Wie haben Sie all das verkraftet? Schlimm, was alles passiert auf der Welt. So gefühlvoll inszenieren und sachte auf den Wahlkampf einstimmen, das kann nur Bild.