DIE KLEINE WORTKUNDE

Im brandenburgischen Schloss Meseberg trifft sich das neue Bundeskabinett, um in Klausur zu gehen. Was heißt das überhaupt?

Das Vorhaben der Regierung, zwei Tage in Klausur zu gehen, wirft Fragen auf, deren Antworten die Bundesrepublik erschüttern könnten: Wird Finanzminister Wolfgang Schäuble vom Teufel persönlich heimgesucht? Traktieren Dämonen den Außenminister? Erscheint Innenminister de Maizière im Schlaf eine nackte Frau, die ihn abzulenken versucht von seiner eigentlichen Arbeit? Das alles wären – geht man vom Ursprung des Wortes aus – Gründe, in Klausur zu gehen. Der Begriff geht zurück auf die Antonius-Legende. Der war ein ägyptischer Eremit aus dem dritten Jahrhundert. Die Legende besagt, dass der Teufel ihn nachts mit Versuchungen quälte. Sie sollten den Eremiten davon abhalten, klar zu denken. Um die Versuchungen abzuwehren und mal ein paar klare Gedanken fassen zu können, schloss sich Antonius in eine Grabkammer ein – er ging in Klausur (vgl. lat. clausura = Verschluss). Das Konzept, Klarheit in der Abgeschiedenheit zu finden, gefiel Antonius, und so zog er von der Grabkammer in eine Burg in der Wüste, die er erst nach zwanzig Jahren wieder verließ. Die Bundesregierung stampft die Klausur nun ein auf zwei Tage, die Burg wird in der Politik zum Schloss. Ostfeinde könnten anmerken, dass mit Brandenburg zumindest ein wüstenähnlicher Schauplatz gefunden wurde. Doch der Eindruck bleibt: Die Regierung hat eine sehr eigene Form der Klausur gefunden. Denn dass Schäuble ernsthaft versucht, den Teufel loszuwerden, wenn er ankündigt, in Meseberg die Eckdaten für den Haushalt 2010 vorlegen zu wollen, ist unwahrscheinlich. Westerwelle geht mit dem Begriff sogar noch lockerer um und beschreibt als Ziel der Klausur, ein gutes Betriebsklima schaffen zu wollen. Kein Wort also von Teufelsaustreibungen.

Womöglich wird die Öffentlichkeit auch einfach getäuscht und die Regierung versucht herunterzuspielen, was hinter den Schlossmauern wirklich passieren soll. Man sollte genau darauf achten, wie sich die Koalition in den nächsten zwei Tagen ernährt. Antonius hielt es für sinnvoll, gar nichts zu essen und zu trinken, die Nahrung lenke nur ab vom Wesentlichen. Zweimal im Jahr nur ließ er sich ein Brot kommen. Sollten die Koalitionäre also nichts essen in Meseberg, wäre die Sache klar: Es ging tatsächlich mit dem Teufel zu. SCH