Kolumne Marx 2.0: Plötzlich im Problemfilm

Manchmal gelten die Weisheiten aus dem Western auch im wahren Leben. Beispielsweise in Afghanistan.

Letztens bei "Beckmann" war unser Verteidigungsminister zum ersten Mal überzeugend. Also für mich. Schnell hat er aus der Spiegel-Schelte gelernt (Titel: "Der Entzauberte"). Er war nicht mehr eitel, kokettierte nicht mit seinem Image, nahm auch keine Rücksichten auf das rechte Lager. Es war, als sei er seiner selbst überdrüssig geworden, als interessierte ihn nur noch eins: die Sache. Und da geht es ihm wie allen. Denn die Sache - das erste Massaker in deutschem Namen seit 1945 - entpuppt sich immer mehr als tolles Stück. Verständlich, dass ihm der Kragen platzte, als ihm Schneiderhan so peu à peu davon berichtete (nachdem er ihm viel zu lange nicht davon berichtete). Und dass er ihn samt Komplizen binnen Minuten feuerte.

Das war richtig und couragiert. Aber politisch anscheinend ein Schuss ins eigene Knie, wenn nicht sogar in die Schläfe. Denn der Geschasste lässt seitdem genüsslich streuen, er freue sich darauf, im Untersuchungsausschuss seiner Loyalität entbunden zu sein. Zu Deutsch: dass er nun ordentlich auspacken darf. Dass er oder seine Leute damit längst angefangen haben, zeigen die täglichen Enthüllungen. Und sie wirken in den Medien wie Bomben unter Guttenbergs Stuhl, obwohl sie in der Sache den Minister eher entlasten.

Wir wissen nun, dass Oberst Klein nicht die Tanklaster angreifen wollte, sondern die Menschen zwischen den beiden Fahrzeugen. Er wollte töten. Nun wird scheinheilig erklärt, man habe auch früher schon Situationen des Tötenmüssens gehabt, sie seien offiziell Teil des Mandats und somit keine sensationelle Neuigkeit. Krieg sei eben Krieg, auch wenn er (noch) nicht so heiße. Genau dies stimmt aber nicht. Das Mandat unserer Armee lautet: Ihr dürft töten, um euch zu verteidigen. Ihr dürft nicht töten, um zu töten. Exakt das hat Oberst Klein getan. Jedes Kind, das einmal einen Western gesehen hat, weiß: Wenn der Gauner zieht, darf der Held ihn abknallen. Peng!, weg damit, nächste Szene. Zieht aber der Gauner NICHT und knallt der Held ihn einfach so ab, ist der Held kein Held, sondern ein Mörder. Dann ist es auch kein Western mehr, sondern ein Problemfilm.

Die Menschen, die acht Jahre lang alles geschluckt haben, merken auf einmal, dass sie in einem Problemfilm waren. Und sind maßlos empört. Genau wie unser Verteidigungsminister. Daran erkennt man, dass er tatsächlich jener Antipolitiker ist, als der er sich so lange geriert hat: Er fühlt wie seine Bürger. Ich traue ihm wirklich als Einzigem zu, dass er diesen Krieg beendet. Aber dazu muss er die Schlammschlacht überstehen, die nun ausbrechen wird. Schneiderhan, fast schon die Karikatur eines Spitzenoffiziers, setzt den ganzen Apparat gegen ihn in Marsch.

Doch Guttenberg scheinen in diesem Kampf Kräfte zuzuwachsen. Er wirkt jeden Tag fitter und motivierter. Jede militärische Ungeheuerlichkeit, die herauskommt, macht ihn wacher. Schon hört man raunen, der Luftschlag sei überhaupt kein Einzelfall. 30 bis 40 Luftschläge dieser Art soll es TÄGLICH geben, wenn auch in ganz Afghanistan. Um Selbstverteidigung gehe es dabei wohl kaum. Die paar tausend zotteligen Bergbewohner mit ihren altersschwachen Gewehren und selbst gebastelten Zündern werden behandelt wie die 25-Millionen-Armee Stalins, die auf Berlin zumarschierte.

Gut, es handelt sich auch hier um einen Krieg - als wenn es um das Wort ginge! -, aber um einen der widerlichsten und ungerechtesten, die je geführt wurden. Und ausgerechnet wir, die Nachkommen Hitlers, sind schon wieder mit von der Partie!

Wenn Guttenberg das rauskriegt, ist aber Schluss damit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.