Kolumne Männer: Burn after reading

Wer liest schon Klatschmagazine für Männer? Ich natürlich. Aber nur aus rein beruflichen Gründen.

Mein Gott, ist mir das peinlich. Ich versuche, meine Unsicherheit zu überspielen: ruhiger Blick, tiefe Atemzüge, gar ein angedeutetes Gähnen. Ich bestelle einen Milchkaffee in meinem Lieblingscafé, tue wie immer. War da etwa Verachtung im Blick der kühlen Kellnerin? Meine Unruhe wächst. Es ist auch wirklich schwer, würdevoll auszusehen, während man eine Männerzeitschrift liest.

Warum tue ich das überhaupt? Die charmante Erklärung lautet: Ich schone mich nicht. Ich gucke dorthin, wo es mir weh tut. In die Welt der Geschichten mit fragenden Titeln wie "Wollen Sie ein Sixpack in sieben Tagen?" oder "Ist Ihr Penis groß genug?" Dabei sind mir die Antworten seit langem klar. Zu Punkt eins: Ja, aber ich habe keine Lust dazu. Zu Punkt zwei: Das geht Sie Ferkel gar nichts an.

Doch leider ist die charmante Erklärung selten die ehrlichste. Viel eher ist der Grund, weshalb ich gerade ein Klatschblatt für Männer lese, folgender: Ich möchte mich darüber aufregen können. Über die Klischee verhärtenden Geschichten, die mir beweisen, dass andere Männer sich zu Marionetten der Kosmetik-, Auto- und Bekleidungsindustrie degradieren. Das geht auch eine Weile gut.

Mit rotem Kopf habe ich vorhin die neue Ausgabe des Männermonatsklatschblatts GQ gekauft. Auf dem Titel sind die eineinigen Zwillinge der Jungsband Tokio Hotel zu sehen, denen ich wünsche, dass sie nur fürs Foto in diese lächerliche Kleidung gezwängt wurden. Zwischen den beiden prangt das offenbar ernst gemeinte Zitat: "Wir sind wie ein Mensch mit vier Ohren." Innen gibt es eine Geschichte über das rappende Selbstvermarktungsgenie Bushido mit dem zumindest originellen Titel: "Warum sollte ein Gangster keinen Kombi fahren?" Eine Zeitschrift für Durchschnittstypen, die lesen möchten, dass erfolgreichere Männer auch nur mit Wasser kochen. Ist es nicht herrlich, wenn wir unsere Klischees bestätigt finden?

Und dann das: "Brangelina" fehlt. Da zerreißt die halbe Welt sich das Klatschmaul darüber, dass Brad Pitt und Angelina Jolie sich trennen, und was erfahre ich darüber in der GQ? Nichts. Keine Zeile. Dabei stand sogar in der taz ein Artikel dazu. In der taz!

Das muss ich einem Freund erzählen. Wie praktisch, dass ich gerade in einem Café sitze und mit einem Freund verabredet bin. Und falls ich die Begegnung gerade nur erflunkere, weil es mir in diese kleine Geschichte passt, werden Sie, lieber Leser, es mir nie beweisen können. Nie!

Also: Auftritt des guten Freundes. Zur Begrüßung gibt es eine Männerumarmung, das heißt: Handgeben mit der Rechten, begleitet von einarmigem Auf-den-Rücken-Klopfen. Ja, wir Männer sind merkwürdig. Er (freundlich interessiert): "Du liest die GQ?" Ich: "Rein beruflich. Um mich drüber aufzuregen und etwas darüber zu schreiben." - Er: "Und?" - Ich: "Totaler Mist. Kein Wort im ganzen Blatt über die Trennung des Jahres!" - Er (irritiert): "Aber ich dachte, du findest …" Ich (vom Einwand unbeeindruckt): "Kein Wort! Dabei haben Brad Pitt und Angelina Jolie vermutlich ähnlich viel für die Auflage von Schlüssellochblättchen getan wie Adolf Hitler für die des Spiegel."

"Sieh es positiv", sagt der Freund. "Jetzt ist Pitt frei für Stevie Wonder." Ich: "Hä?" Er: "Na: Wonder-Bra. Verstehste?" Ich: "Das ist so bescheuert, das schreibe ich zur Strafe gleich in meine Kolumne."

Weil ich Herr dieses Textchens bin, erwähne ich hier nicht, dass besagter Freund mir entgegenhielt, ich sei ja nicht besser als all die Leser von Frauenzeitschriften für Männer. Wer so was sagt, ist nämlich gar kein echter Freund. Steht in der GQ.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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