Die Stammzellen waren gar keine

Zwischen deutschen Stammzellforschern ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Wissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen haben mit eigenen Analysen die Ergebnisse des Tübinger Kollegen Professor Thomas Skutella von 2008 widerlegt. Skutella hatte damals aus erwachsenen menschlichen Keimzellen des Hodens pluripotente Stammzellen – sogenannte Alleskönnerzellen – gewonnen. Tatsächlich seien die Tübinger Zellen nicht pluripotent, „sondern aller Wahrscheinlichkeit nach schlichte Bindegewebszellen“, schreibt nun eine Forschergruppe, zu der die Stammzellforscher und Professoren Hans Schöler aus Münster und sein Aachener Kollege Martin Zenke gehören.

Den Schlagabtausch zwischen dem Team um Schöler, der am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin Direktor ist, und dem um Skutella publiziert das britische Fachmagazin Nature. Zur Erklärung sagte Schöler, der Skutella bereits früher kritisiert hatte: „Möglicherweise sind Experimente nicht rigoros durchgeführt und die Daten falsch interpretiert worden.“

Skutella, Anatomieprofessor am Universitätsklinikum Tübingen, hatte 2008 ebenfalls in Nature zudem behauptet, mit den gewonnenen Zellen, die embryonalen Stammzellen sehr ähnlich seien, ließen sich spezialisierte Gewebezellen entwickeln.

Die Forschergruppe um Schöler wirft den Tübingern auch vor, sich nicht an die üblichen Forschungsstandards zu halten. So hätten die gewonnenen Zellen keine anderen Forscher zu Gesicht bekommen, was bei Veröffentlichungen in namhaften Fachzeitschriften gang und gäbe, teils wie bei Nature sogar verpflichtend ist. Skutella hatte sich geweigert, die Stammzellen weiterzugeben.

Das Vorgehen von Skutella hält der Zellbiologe Albrecht Müller von der Universität Würzburg „für untragbar“, wie er in einer Mitteilung des MPI erklärt. Weiter heißt es darin, es wachse bei Stammzellforschern inzwischen der Zweifel, ob die Tübinger Zellen überhaupt existieren.

Skutellas Gruppe entgegnete in derselben Ausgabe von Nature, Schölers Team habe die Experimente nicht exakt nachvollzogen. Daher könnten die Forscher aus Münster auch nicht die in Tübingen gewonnenen Zellen erhalten. Skutellas Team arbeitet nach eigenen Angaben zudem nun gerade daran, die gewonnenen Stammzellen zu vermehren, um sie Kollegen zur Verfügung stellen zu können. (dpa, taz)