Klimaanlagen schaden dem Klima

Als Kältemittel in Autoklimaanlagen hätte Kohlendioxid einen tausendfach geringeren Treibhauseffekt als das derzeit genutzte R134a. Nur: Die Konzerne steigen nicht um

In Frankfurt am Main ist gestern die größte Fachmesse für Autozulieferer, die Automechanika, eröffnet worden. Themenschwerpunkt sollen in diesem Jahr die Klimadiskussion und ihre Auswirkungen auf den Automarkt sein. Nach Einschätzung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) ist das eine große Chance: „Im Klimaschutz liegt für die Zulieferer ein riesiges Potenzial“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Dass dieses „riesige Potenzial“ in der Praxis jedoch nicht immer genutzt wird, zeigt die Blockade der Hersteller beim Umstieg auf klimafreundlichere Kühlmittel in Klimaanlagen. TAZ

BERLIN taz ■ Es wäre die große Chance für Volkswagen, Daimler und Co, sich auch einmal als Vorreiter in der Klimapolitik zu profilieren. Und vor einem Jahr sah es auch so aus, als würden sie diese nutzen. „Durchbruch in der Klimatechnik“, reklamierte der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) damals für sich. Die Mitgliederfirmen hätten sich geeinigt, in Fahrzeugklimaanlagen künftig „als weltweit erste Unternehmen das besonders umweltfreundliche Kältemittel Kohlendioxid“ zu nutzen.

Bis heute ist allerdings nicht ein einziger Serienauftrag an die Zulieferindustrie ergangen. Stattdessen sagt VDA-Sprecher Eckehard Rotter: „Es ist selbstverständlich, dass wir alle realistischen und vernünftigen Optionen weiterverfolgen.“ Die Automobilindustrie steht vor einer Richtungsentscheidung.

Ab 2011 ist das derzeit in Klimaanlagen genutzte Kältemittel Tetrafluorethan mit dem Handelsnamen R134a in der Europäischen Union für neu zugelassene Fahrzeugtypen verboten, ab 2017 für alle Neuwagen. Denn aus der Kühlung entweicht ständig Gas in die Atmosphäre – und richtet großen Schaden an: R134a hat ein Treibhauspotenzial von 1.430, das heißt, es schädigt das Klima 1.430-mal so stark wie die gleiche Menge Kohlendioxid.

Das Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt hat ausgerechnet, dass der Einfluss des schädlichen Kühlgases in etwa so groß ist, als verbrauche das Fahrzeug auf 100 Kilometern 0,4 Liter Sprit mehr. Künftig will die EU nur noch ein Treibhauspotenzial von höchstens 150 zulassen. Die Autohersteller müssen sich auf einen Nachfolger für R134a einigen. Die umwelt- und klimafreundlichste Nachfolgelösung für R134a wäre ein natürliches Kältemittel: CO2, das ein Treibhauspotenzial von 1 hat. Als Abfallprodukt der Industrie oder direkt aus der Luft gewonnen, ist es weltweit verfügbar und billig. Außerdem sollen CO2-basierte Klimaanlagen energieeffizienter arbeiten, also weniger Sprit verbrauchen als die heute üblichen.

Deutsche und österreichische Zulieferunternehmen wie Behr und Obrist Engineering haben längst Systeme entwickelt, die auch mit den besonderen Anforderungen des natürlichen Kältemittels klarkämen. Weil CO2 erst unter höherem Druck flüssig wird als R134a, kann es nicht einfach in die vorhandene Technik eingefüllt werden.

„CO2 ist absolut sicher“, sagt Greenpeace-Klimaexperte Wolfgang Lohbeck. Doch die neuen Klimaanlagen dürften einen Neuwagen nach Angaben des Umweltbundesamtes um 40 bis 100 Euro verteuern. Das scheint manchem deutschen Hersteller zu viel. Auch die internationale Konkurrenz würde eine Lösung bevorzugen, bei der ein neues Kältemittel in die bestehenden Anlagen eingefüllt werden kann.

Dds gibt es inzwischen, jedenfalls beinahe. Entwickelt haben es die Chemiekonzerne Honeywell und DuPont gemeinsam. 1234yf ist eine Chemikalie, die nur kleinere Änderungen an den Anlagen erfordert und ein Treibhauspotenzial von 4 haben soll. Eine belastbare Überprüfung hierzu gibt es allerdings noch nicht. Auch die bisherigen Toxizitätsprüfungen werfen eher Fragen auf. So veröffentlichten DuPont und Honeywell im Juli die Ergebnisse eines Tests, nach dem es Hinweise auf eine erbgutschädigende Wirkung gibt, andere Versuche zeigten jedoch keine auffälligen Resultate. Fest steht aber, dass 1234yf brennbar ist – und bei der Verbrennung unter anderem Flusssäure entstehen kann.

Wenn nicht schnell eine Umstellung auf CO2-Anlagen erfolgt, sehen Lohbeck oder auch Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe die verkehrspolitischen Klimaziele in Gefahr. Denn selbst wenn die Hersteller in Europa auf den Ersatzstoff 1234yf setzen, könnte das schädliche, aber preiswertere R134a weiter verwendet werden. Denn dessen Patentschutz läuft in Kürze ab. „Asiatische Unternehmen werden nicht zögern, dieses dann billig herzustellen“, so Resch. Etwa übers Internet könnte es auch in Europa bestellt und genutzt werden. Resch: „Kontrollieren lässt sich das nicht.“ BEATE WILLMS