Impfpflicht bei Blauzungenkrankheit: Bauern wehren sich

Um die Blauzungenkrankheit einzudämmen, müssen Kühe, Schafe und Ziegen geimpft werden. Weigern sich die Landwirte, drohen ihnen Zwangsgelder und sogar Haft.

Verweigert der Landwirt die Impfung, wird für jedes Tier eine Strafe von 50 Euro fällig. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | "Ich geh mit so einem Unwillen in den Stall", meint Konrad Schützeneder, 48, Ökolandwirt aus Simbach in Niederbayern. "Es macht mir keinen Spaß mehr." Schützeneder produziert Milch, er hat 30 Hektar Land und 30 Kühe. Zum Leben hat das bislang immer gereicht. Aber dann kamen die Briefe vom Landratsamt.

Im September und Oktober lasen sie sich noch wie ein freundlicher Hinweis. Im November klangen sie schon wie eine Drohung. Entweder er impfe seine Kühe oder er müsse ein Zwangsgeld von 50 Euro pro Tier zahlen, schrieben ihm die Beamten. Sollte er die Strafe nicht zahlen können, drohe ihm Gefängnis, "Ersatzzwangshaft", wie es in dem Brief heißt. Aber Bauer Schützeneder bleibt hart. Er sagt: "Das kann ich meinen Tieren nicht antun."

Seit über zwei Jahren wütet die Blauzungenkrankheit in Mitteleuropa. Das für Menschen ungefährliche Virus wird von Mücken übertragen und befällt Kühe, Schafe und Ziegen. Die Tiere bekommen Fieber und Ödeme, ihre Zunge färbt sich blau. Viele Tiere sterben, der Schaden für die Landwirte ist enorm. Allein in diesem Jahr gab es in Deutschland 4.668 Fälle.

Um die Krankheit in den Griff zu bekommen, hat die Europäische Union eine Verordnung erlassen, in den betroffenen Ländern sämtliche Rinder, Schafe und Ziegen gegen das Virus zu impfen. Doch viele Bauern wehren sich. Sie fürchten, die Impfung könnte ihren Tieren und ihren Betrieben mehr schaden als nutzen.

Beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) haben sich bislang etwa 80 Bauern gemeldet, die über Komplikationen nach der Impfung klagen. Manche Tiere bekamen Ausschläge, andere Fieber. BDM-Sprecher Hans Foldenauer meint: "Es ist nicht in Ordnung, dass man die Milchkühe als Versuchskaninchen gebraucht." Die Impfstoffe, die derzeit schon hunderttausenden Tieren gespritzt werden, sind bislang kaum getestet. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat sie per Eilverordnung zugelassen. Es sollte schnell gehen bei der Eindämmung der Blauzungenkrankheit. So steht im Beipackzettel eines Impfstoffs, der in Süddeutschland eingesetzt wird, lapidar: "Die Unbedenklichkeit des Tierarzneimittels bei der Trächtigkeit und Laktation ist nicht belegt."

Bauern berichten davon, dass Bullen nach der Impfung unfruchtbar geworden seien, dass Mutterkühe Fehlgeburten erlitten hätten, und sogar davon, dass Tiere starben. Die zuständigen Behörden beschwichtigen.

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz von Nordrhein-Westfalen erklärt, die Impfung würde gut vertragen, verzeichnet aber "200 auffällige Impfkomplikationen, vor allem Fehlgeburten". In Hessen gab es bei über 300.000 Impfungen 204 Auffälligkeiten. Statistisch gesehen sind das keine bedenklichen Werte, nicht einmal jedes tausendste Tier wäre demnach betroffen. Im bayerischen Umweltministerium findet man denn auch: Die aufgetretenen Impfschäden seien allein durch Stressreaktionen der Tiere beim Impfvorgang zu erklären. Die gebe es auch bei jeder anderen Impfung. Viele Bauern sind da anderer Meinung. In Österreich protestieren Landwirte bereits öffentlich.

In Bayern haben sich im Sommer 140 Bauern zur "Interessengemeinschaft für gesunde Tiere" zusammengeschlossen. Sie wollen gemeinsam gegen die Impfpflicht kämpfen. Auch Konrad Schützeneder ist dem Verein mittlerweile beigetreten. Er sagt: "Ich würde für meine Tiere und meine Verbraucher sogar in Haft gehen."

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