Massen ohne Arbeit

Spanien schien lange sicher vor der Krise. Nun sind erstmals mehr als drei Millionen Menschen ohne Job

MADRID taz ■ Vor nicht einmal einem Jahr hatte sich Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero strikt geweigert, von einer Krise zu sprechen. Die in diesen Tagen veröffentlichten Zahlen durch das Nationale Statistikinstitut strafen ihn Lügen. Mit 13,9 Prozent Arbeitslosen ist Spanien Europameister. 3,2 Millionen Menschen sind ohne Job. Das sind 1,2 Millionen Menschen mehr als noch vor einem Jahr. Damals waren weniger als 8 Prozent arbeitslos, und so mancher Regierungspolitiker sprach gar von einer möglichen Vollbeschäftigung.

Die Hälfte der neuen Arbeitslosen ist dem Wachstum der arbeitsfähigen Bevölkerung zuzuschreiben, die andere Hälfte ist das Ergebnis der Vernichtung von Arbeitsplätzen vor allem in der Bauindustrie und dem Gaststättengewerbe. In 827.000 Haushalten sind alle Mitglieder ohne Arbeit. Über eine halbe Million beziehen kein Arbeitslosengeld. Am stärksten betroffen sind Südspanien sowie die Kanarischen Inseln.

Erstmals in der Geschichte Spaniens sind mehr Männer als Frauen arbeitslos. Für junge Spanier ist es besonders schwierig, Arbeit zu finden. 29,1 Prozent der unter 25-Jährigen sitzen auf der Straße.

Vor allem zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse fielen der Krise zum Opfer. Die Bauindustrie, der Motor des Wachstums der letzten Jahre, ist fast völlig zum Erliegen gekommen. Der Bauboom hat sich als Spekulationsblase erweisen. Jetzt, wo sie geplatzt ist, verlieren die Menschen ihren Job.

Doch das Schlimmste scheint noch nicht überstanden. Internationale Experten, unter ihnen der europäische Kommissar für Wirtschaft und Währung, Joaquín Almunia, der selbst Zapateros sozialistischer Partei angehört, warnen vor bis zu 19 Prozent Arbeitslosen am Ende des Jahres 2009. Das wären dann mehr als vier Millionen Menschen in einem Land mit etwas mehr als 46 Millionen Einwohnern und einer arbeitsfähigen Bevölkerung von 23 Millionen Menschen.

Arbeitsminister Celestino Corbacho will davon nichts wissen. Er verspricht für die zweite Hälfte dieses Jahres einen erneuten Aufschwung. Dann werde das staatliche Investitionspaket greifen. Gleichzeitig versucht er die Zahl der arbeitsfähigen Menschen zu verringern, indem er den Immigranten die Auszahlung ihrer Sozialversicherungsbeiträge und Arbeitslosengelder verspricht, falls sie in ihre Heimat zurückkehren. Doch nur wenige machen bisher von diesem Angebot Gebrauch.

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