Bundesamt veröffentlicht Online-Börse: Umweltsünde in der Nachbarschaft

Ab sofort kann im Internet jeder nachgucken, mit welchen Schadstoffen Unternehmen die Umwelt belasten.

Kläranlage vor der Tür? Tausende Unternehmen speisen ihre Öko-Daten nun ins Web ein. Bild: dpa

BERLIN taz Unter der Internetadresse www.prtr.bund.de des Umweltbundesamts (UBA) lassen sich seit kurzem Informationen über die Belastung von Luft, Wasser und Boden nach Orten oder Betrieben suchen. Rund 4000 Firmen - Industriebetriebe, aber auch große Kläranlagen oder Bauernhöfe mit intensiver Massentierhaltung - speisen Daten über ihre Schadstoffemissionen ein.

Bewohner des Siegener Stadtteils Kaan-Marienborn interessieren sich vielleicht für ihren Nachbarn Gontermann-Peipers. Laut Website hat die Stahlgießerei 2007 insgesamt 54,6 Tonnen gefährliche Abfälle im Inland entsorgt. Im idyllischen Tübingen hat das Rökona-Textilwerk, direkt am Neckar gelegen, 57.500 Tonnen organischen Kohlenwasserstoff ins Abwasser geleitet. Profunde Chemie-Kenntnisse benötigt, wer auf der Seite Informationen zum Beispiel über BASF in Ludwigshafen aufruft. Eine lange Liste mit Schwermetallen und Chemikalien erscheint, die in Luft und Wasser gelangen.

Dabei hat das UBA die Liste der aufgeführten Chemikalien bewusst auf 91 besonders gefährliche Stoffe beschränkt, um die Website auch für Laien handhabbar zu machen. "Mündige Bürger müssen in der Lage sein, sich zu artikulieren und dazu brauchen sie gute Informationen", sagte UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann bei der Freischaltung der Seite am Mittwoch in Berlin. Seit vergangenem Jahr müssen Betriebe den Behörden jährlich europaweit mitteilen, welche Schadstoffe sie produzieren und welchen Abfall sie hinterlassen. Weil die Daten für die Veröffentlichung einen langen Weg durch die Behörden nehmen - die Unternehmen berichten an die Länder, die zuständigen Verwaltungen überprüfen sie und leiten sie an das UBA weiter - sind die Angaben auf der prtr-Seite rund anderthalb Jahre alt. Genannt werden müssen Emissionen ab einem bestimmten Schwellenwert, der von einer Arbeitsgruppe der EU-Kommission festgelegt wird. Ziel sei es, 90 Prozent aller relevanten Emissionen in der EU zu erfassen, sagt Holger Böken, beim UBA verantwortlich für das Projekt. "Wenn wir sehen, dass das mit den jetzigen Daten nicht erreichen, müssen wir neu diskutieren", so Böken.

Die Datenbank solle, erklärt Michael Müller, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Waffengleichheit zwischen Industrie und Bürgern herstellen. "Wir möchten den Dialog zwischen Nachbarschaft und Betreibern fördern", sagt Müller, "die Bürger können dann nachhaken und weitere Informationen einholen." Eine Klagewelle gegen die Verschmutzung befürchtet Müller nicht, Transparenz führe eher zu weniger als zu mehr Konflikten, sagt er. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen war laut Projektleiter Böken denn auch konstruktiv und routiniert, "die sind die Dokumentation ja gewohnt." Reibereien gab es aber beim Punkt "Abfall." Veröffentlicht wird nämlich nicht nur, wie viel gefährlichen Sondermüll ein Unternehmen produziert. Die interessierte Öffentlichkeit kann künftig auch verfolgen, ob und wo er im Ausland entsorgt wird.

Allein am Tag der Freischaltung nutzten 450.000 Menschen die Website. Ab 30. September dürfen sie auch europaweit suchen: Dann geht eine entsprechende EU-Seite online.

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