Indiens neuer Klimakampf

GLOBALE ERWÄRMUNG Die Regierung in Delhi entdeckt die Klimapolitik als neues Feld ihrer moralischen Überlegenheit gegenüber dem Westen – und kommt ihm deshalb entgegen

AUS DELHI GEORG BLUME

Indien bewegt sich in der Klimafrage. Gegen alle vorherigen Bekundungen will der viertgrößte Klimagasproduzent der Welt international verifizierbare Kontrollen seiner angestrebten CO2-Emissions-Reduzierungen zulassen. Indien würde sich ähnlich strikten Kontrollmechanismen unterwerfen, wie sie heute bei Welthandelsorganisation und Internationalem Währungsfonds gelten, sagt Umweltminister Jairam Ramesh. Nach dem G-20-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsländer in den USA habe er neue Instruktionen von Premierminister Manhoman Singh erhalten, wonach „die Wahrnehmung Indiens bei den Klimaverhandlungen sich ändern solle“.

Bisher sah die Regierung in Delhi bei den Vorbereitungen auf die internationale Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember wie ein Blockierer aus. Internationale Kontrollen hatte sie immer wieder als Einmischung in innere Angelegenheiten abgetan. Von verbindlichen Zielen für die Emissionsreduzierung wollte sie nichts wissen. Doch nun heißt es, Indien könne in Kopenhagen „implizite“ CO2-Reduktions-Ziele akzeptieren, indem es sich verpflichte, einen nationalen Klimaplan mit konkreten Zielen zu verabschieden und international verifizierbar zu machen.

Das Entgegenkommen hat viele Gründe. Der aktuellste ist die neue Popularität der Klimapolitik, seit in diesem Sommer im zweiten Jahr in Folge die wichtige Monsun-Regenzeit ausfiel. Nicht nur ging vielen Bauern die Sommerernte verloren. In den großen Städten Nordindiens herrschte eine Hitze, die offenbar auch letzten Zweiflern klarmachte, dass der Klimawandel auch hier stattfindet.

Auch kann die Regierung nach Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans gegen Klimawandel vor zwei Jahren erste Ergebnisse vorweisen. Man hat errechnet, dass die Energieeffizienz pro Einheit des Bruttosozialprodukt in Indien genauso hoch ist wie in Deutschland. Normalerweise verschwenden Entwicklungsländer Energie aufgrund fehlender Technologie. Doch Indien hat seine Vorzeigebranchen. „Im Software-, Stahl- und Zementbereich ist unsere Energieeffizienz überdurchschnittlich hoch“, sagt Kushal Yadav, Klimaexperte beim unabhängigen Center for Sciene and Environment (CSE) in Delhi. Kushal lobt auch den im Rahmen des Aktionsplanes vorgesehenen Ausbau der Solarenergie, der bis 2030 einen 10-prozentigen Anteil an Solarenergie vorsieht. Yadav glaubt, dass Indiens Klimamaßnahmen heute schon weit über das in Kopenhagen geforderte Soll hinausgehen: „Indien macht viel mehr als nötig.“ Dabei klingt der NGO-Vertreter fast wie ein indischer Regierungssprecher.

Dahinter steckt Strategie. Die Nichtregierungsorganisationen weltweit wollen den Westen in Kopenhagen unter Druck setzen. Indien und China sollen nicht mehr als klimafeindliche Sündenböcke dienen können. Deshalb nimmt das CSE jedes neue indische Regierungsversprechen begeistert auf.

Zugleich begreift die neuformierte indische Regierung täglich besser, wie erfolgreich sie Klimapolitik betreiben kann. Sie hat mit Ramesh einen heimischen Polit-Star zum Umweltminister gekürt, der den Westen rhetorisch geschickt angreift: „Wir haben Entwicklungsemissionen – ihr habt Lifestyle-Emissionen“, sagt Ramesh.

Zudem hat Delhi erkannt, dass Indien in den aufgewerteten G 20 mit Klimaschutz punkten kann. Früher ärgerte man den Westen mit der Blockfreien-Politik, jetzt könnte die Klimapolitik diese Funktion übernehmen.