Agrargenossen fühlen sich diskriminiert: Kampf um die Subventionen

Ostdeutsche LPG-Nachfolger sehen Großbetriebe diskriminiert, weil sie pro Hektar weniger Beihilfe bekommen sollen als kleine. Kritische Bauern: Im Moment fließt das Geld in die falschen Kanäle.

Die großen landwirtschaftlichen Betriebe sollen weniger Subventionen bekommen. Bild: ap

PAAREN/GLIEN taz | Es sollte ein Einstieg in eine etwas gerechtere Verteilung der milliardenschweren Agrarsubventionen sein: Seit diesem Jahr kürzt die Europäische Union die Direktzahlungen für besonders große Betriebe stärker als für kleine: Alle Beträge, die über 300.000 Euro liegen, werden zusätzlich um vier Prozent gekürzt. Schließlich haben die Großbetriebe meist geringere Kosten pro Hektar.

Diese neue Regel bricht mit dem alten Grundsatz der vor allem nach der Fläche berechneten Beihilfen: Je mehr Landwirte besitzen, desto mehr Subventionen erhalten sie. Nun wollen sich Bauern erstmals juristisch gegen die Neuregelung wehren. Je eine der riesigen Agrargenossenschaften aus den fünf ostdeutschen Bundesländern wird Anfang 2010 vor dem Verwaltungsgericht eine Musterklage gegen die Subventionskürzung einreichen, wie der Genossenschaftsverband jetzt im brandenburgischen Paaren/Glien ankündigte.

Die Nachfolger der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) aus DDR-Zeiten wehren sich zudem dagegen, dass die EU allen Betrieben - also nicht nur den großen - die Direktzahlungen zusammenstreicht, um damit etwa Umweltschutzprojekte auf dem Land zu finanzieren. Bisher hätten etwa 350 der 1.000 ostdeutschen Agrargenossenschaften Geld für die nötigen Rechtsanwälte zugesichert, sagte Klage-Koordinator Andreas Eisen der taz.

Eigentlich fällt der 4-Prozent-Abschlag für die Großbetriebe nicht sonderlich ins Gewicht. Weniger als 20 Millionen Euro werde er den großen Betrieben von ihren mehr als eine Milliarde Euro Direktzahlungen kosten, schätzt die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Doch die Agrargenossenschaften sehen in der Zusatzkürzung einen "Systemwechsel", der "zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung landwirtschaftlicher Betriebe" führe. Bevor die Europäische Union entscheidet, wie sie die Subventionen in der neuen Finanzperiode vom Jahr 2013 an verteilt, wollen sie diesen Systemwechsel rückgängig machen. Davon würden nicht nur die Genossenschaften, sondern auch klassische Großgrundbesitzer profitieren.

Das wichtigste Argument, das Jurist Michael Winkelmüller für die Genossen ins Feld führt, lautet: Die zusätzlichen Kürzungen verstießen gegen das Diskriminierungsverbot. "Denn die zusätzliche Kürzung bewirkt, dass große Betriebe im Ergebnis eine geringere Stützung pro Hektar erhalten als kleinere Betriebe", heißt es in einem Gutachten seiner Kanzlei. Ganz Ostdeutschland sieht der Genossenschaftsverband diskriminiert, schließlich müssten Landwirte aus dieser Region EU-weit nahezu die Hälfte der zusätzlichen Kürzungen für größere Betriebe stemmen.

"Die Klagen sind nicht gerechtfertigt", sagt dagegen der Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. "Die Direktzahlungen sind Steuergeld, das für eine bestimmte Zielsetzung ausgeworfen wird, und im Moment fließt es in die falschen Kanäle." Riesige durchrationalisierte Ackerbaubetriebe mit fünf Mitarbeitern erhielten 60.000 Euro pro Arbeitskraft, während andere ökologisch wirtschaftende mit 50 Arbeitsplätzen nur 12.000 Euro bekämen. "Im Moment herrscht doch eine Ungleichbehandlung, bezogen auf die gesellschaftlichen Leistungen, etwa die Bereitstellung von Arbeitsplätzen", sagt Graefe zu Baringdorf.

Extraregeln für Genossenschaften lehnt Baringdorf ab. "Die sind der Form nach Genossenschaften, aber sie wirtschaften wie ein kapitalistischer Betrieb." Sie würden nicht mehr Arbeitskräfte beschäftigen, als es ihrem Rationalisierungsstand entspreche. Die Betriebe bewirtschaften im Schnitt jeweils 1.700 Hektar.

Laut der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft arbeiten in den Agrargenossenschaften mehrheitlich keine Genossen. Ihre Mitsprache sei in der Praxis sehr begrenzt. Die meisten Genossenschaften würden bis heute größtenteils von ehemaligen SED- und Blockparteifunktionären geleitet. Diese hätten dafür gesorgt, dass nur in zehn Prozent der Fälle die Verteilung des LPG-Vermögens auf die damaligen Mitglieder der Genossenschaften korrekt verlaufen sei.

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