Theater Karlshorst: Dann ging das Licht aus

Das Theater Karlshorst war lange der kulturelle Leuchtturm des Bezirks, seit zehn Jahren steht es leer. Die Schauspielschule Berlin würde gerne einziehen. Aber für die Sanierung müsste der Senat Geld lockermachen.

Man kann nicht gerade von einem 1-A-Standort sprechen, an dem sich das Theater Karlshorst befindet. Der Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen ist Peripherie, sein Image problematisch: Stasi, Nazis und die Platte sind die Stichworte, die beim Thema Lichtenberg fallen. Dass wegen der Klischees die "großen kulturellen Perspektiven Lichtenbergs oft übersehen werden", wie Kulturstadträtin Katrin Framke (parteilos, für die Linke) klagt, hat auch das Theater Karlshorst erfahren müssen. Wer kennt es? Der Theatersaal steht leer. Die Zukunft des ersten Theaterbaus der Nachkriegszeit in Deutschland ist ungeklärt.

Stünde das Theater Karlshorst in Mitte oder Charlottenburg, wären seine Gegenwart und Zukunft kaum in Gefahr. Besitzt es doch eine ganz außergewöhnliche Geschichte und Architektur, Größe und Akustik. Im Stil des stalinistischen Neoklassizismus 1948 von Hans Schaefers erbaut, bildete das Theater in der heutigen Treskowallee eine Landmarke und lange den kulturellen Schwerpunkt des Bezirks nahe der Trabrennbahn.

Damals wie heute eröffnet ein breiter Säulenportikus den Zugang zu dem wuchtigen Bau, der äußerlich ein wenig an das Schillertheater erinnert. In dem Baudenkmal befindet sich noch immer der weite in üppigem Rot und Gold verzierte Saal samt Rang mit 600 Plätzen sowie eine kleine Studiobühne. Die Sowjetarmee und ab 1963 die Ostberliner Bevölkerung nutzten zahlreich das "Haus der Offiziere" für Theater- und Musikaufführungen. Künstler wie David Oistrach und Ballerina Galina Uljanowa traten hier auf. Nach dem Abzug der Roten Armee 1994 wurden das Theater und die "Clubräume" an Ensembles und Veranstalter vermietet. Der bauliche Verfall, marode Technik und Nutzungsprobleme führten nach 2000 zur Schließung der Bühne.

Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge als Eigentümerin der "Russen-Oper", wie das Kulturhaus im Volksmund genannt wird, saniert zwar seit 2009 das historisch bedeutsame Gebäude. Im vergangenen Jahr eröffnete der Bezirk im westlichen Flügel des Bauwerks die Schostakowitsch-Musikschule Berlin-Lichtenberg. "Die für 4,5 Millionen Euro renovierten 41 Räume werden seither von rund 1.000 Musikschülern und für den Unterricht und Konzerte genutzt", strahlt Framke. Lichtenberg habe nun - mit seinen verschiedenen Standorten - die größte Berliner Musikschule für über 6.500 Schüler. "Ein international ausgeschriebenes Bieterverfahren für die Nutzung des Theatersaals dagegen scheiterte im vergangenen Jahr", sagt Angela Reute, Sprecherin der Howoge. Die möglichen Betreiber verfügten über keine ausreichenden Konzepte - weder zum Unterhalt noch für die Bespielung des Hauses. Andere Angebote waren unseriös.

Als Hauptmanko für die Wiederbelebungsversuche erwies sich einmal mehr, dass der Standort nach wie vor als schwierig und abgehängt gilt. Obwohl Framke den Bezirk "mit einem kulturellen Reformprozess" und über 10 Millionen Euro Zuschüssen jährlich für neue Musikschulen, Bibliotheken, Gedenkstätten, neuen Ateliers und Galerien auf Vordermann gebracht hat, greifen diese Referenzen nicht für den Start-up eines "kulturellen Leuchtturms in Lichtenberg".

Zumal nicht, wenn die Kulturpolitik des Senats sich hauptsächlich auf die Mitte konzentriert. Angesichts des kulturellen Zentralismus in Berlin werde es vor allem "für die kulturellen Einrichtungen außerhalb der Mitte immer schwerer, sich zu halten", kritisierte der CDU-Kulturexperte Uwe Lehmann-Brauns die "Schieflage" kürzlich im Abgeordnetenhaus. Manche gerieten deshalb - wie das Theater Karlshorst - gar "ins Abseits". SPD-Kulturstaatssekretär André Schmitz wies diesen Vorwurf natürlich als "haltlos" zurück. Der Senat von Berlin habe "großes Interesse an dem Theaterhaus" und seiner Zukunft.

Dass aktuell mit der privaten "Schauspielschule Berlin" ein Interessent auf den Plan getreten ist, der das Theater Karlshorst unter bestimmten Bedingungen nutzen und mieten will, könnte zur Nagelprobe für Schmitz und die Kulturverwaltung werden - in puncto Unterstützung für das Theater wie der dezentralen Kulturarbeit überhaupt. Sechs Millionen Euro und mehr müssten für die Sanierung des Hauses und die Bühnentechnik aufgebracht werden, rechnen Reute und die Technische Direktorin der Howoge vor. Damit könnten der Saal und die Bühne erneuert, zusätzliche Bühnen- und Probenräume sowie Umkleiden und Garderoben geschaffen werden. Die Howoge und die Schauspielschule allein stemmten den Betrag aber nicht, sagt Reute. "Das Land muss helfen."

Schmitz hat sich jetzt vor Ort umgeschaut. Und hat geschwärmt, als er das Theater und den Saal aus Rote-Armee-Zeiten sah. "Super" seien der Bau und vor allem die riesige Bühne. Es fiel das Wort von der "zweiten Volksbühne".

Dann fiel das Licht aus. Der Staatssekretär, die Kulturstadträtin und die Technische Direktorin der Howoge standen im Dunkeln. Das wäre der Ort für die "junge Schauspielszene" - für eine Schauspielschule und freie Gruppen, hörte man eine Stimme, die nach Schmitz klang, sagen. Er wolle "alles" dafür tun, "auch mit Geld helfen", damit diese Vision in Lichtenberg wahr werde.

Ob das wirklich Staatssekretär Schmitz gesagt hat, weiß man nicht. Es war ja dunkel. Aber man wird sehen. Es wäre dem Theater und den Bezirk jedenfalls in aller Deutlichkeit zu wünschen.

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