Linke Grüne und die Koalition mit der CDU: Das Ende eines Tabus

Der führende linke Grüne Dirk Behrendt schließt eine Koalition mit der CDU nicht mehr aus. Vorsprung seiner Partei wächst laut Umfrage. Die designierte Spitzenkandidatin Künast schweigt weiter öffentlich.

Grüne in Schwarz: Renate Künast am Rednerpult des Bundestags Bild: dapd

Eine Koalition mit der CDU ist auch für führende linke Grüne nicht mehr tabu. Der Kreuzberger Landesparlamentarier Dirk Behrendt schließt ein solches Bündnis nicht länger aus, falls seine Partei die Wahl hätte, entweder Juniorpartner der SPD oder Nummer eins in einer grün-schwarzen Koalition zu werden. "Das sollte man auf jeden Fall ausloten", sagte Behrendt der taz, auch wenn er es für unwahrscheinlich halte, dass es tatsächlich zu einem Bündnis kommt. In der Vergangenheit hatte Behrendt, neben der Parteiikone Christian Ströbele das linke Aushängeschild des Landesverbands, vehement eine Koalition mit den bürgerlichen Parteien abgelehnt.

Noch vor elf Monaten war es beim Grünen-Landesparteitag zu einem heftigen Disput zwischen Behrendt und Fraktionschef Volker Ratzmann gekommen. Der hatte sich nicht auf die SPD als Partner festlegen wollen, sondern die Grünen in gleichem Abstand zu Rot-Rot und Schwarz-Gelb gesehen. "Wer sich alles offenhält, ist nicht ganz dicht", lautete der Vorwurf der Parteilinken. Behrendt sagte damals der taz, die Berliner Grünen kämen bei einer Koalition mit CDU und FDP "in ganz schweres Fahrwasser". Das Ratzmann-Lager konterte mit dem Vorwurf, Behrendt und Co würden Auschließeritis betreiben.

Infratest dimap: Das Institut veröffentlichte am Donnerstag seine jüngsten Zahlen in der Morgenpost. Demnach kommen die Grünen auf 30 (+2), die SPD auf 22 (-2), die CDU auf 20 (-2), die Linke auf 17 (+1), die FDP unverändert auf 3 Prozent. Ähnliche Zahlen hatte zuletzt auch Forsa veröffentlicht. Zwar gibt es bei solchen Umfragen Messungenauigkeiten von bis zu drei Prozentpunkten nach oben oder unten. Erstmals ist der Vorsprung der Grünen aber so groß, dass sie auch beim gröbsten Schätzungsfehler noch vor der SPD lägen.

Der Kandidatenvergleich: Bei einem fiktiven direkten Vergleich zwischen Klaus Wowereit (SPD) und Renate Künast (Grüne) schneidet der Regierende Bürgermeister laut Infratest insgesamt besser ab. Die Befragten halten ihn für sympathischer und wirtschaftpolitisch kompetenter. Insgesamt passe er besser zu Berlin. Künast hingegen wird für sozial gerechter und glaubwürdiger gehalten.

Seine veränderte Haltung rechtfertigt Behrendt mit dem inzwischen umgedrehten Kräfteverhältnis - im November 2009 lagen die Christdemokraten in Umfragen noch 4 Prozentpunkte vor den Grünen, nun rangieren sie 10 Punkte hinter ihnen. "Grün-Schwarz ist doch etwas ganz anderes als Schwarz-Grün", sagt Behrendt, "dann sind wir Koch, und die sind Kellner." Behrendt würde allerdings noch eine andere Variante bevorzugen, falls die rechnerisch möglich bleibt: Grün-Dunkelrot.

In einem am Donnerstag veröffentlichten Meinungsbild von Infratest dimap liegt die Partei so weit wie noch nie vor der SPD. 30 Prozent Zustimmung wie jetzt hatten die Grünen zwar schon in einer Forsa-Umfrage Ende September erreicht. Damals aber lagen sie lediglich 4 Punkte vor den Sozialdemokraten - jetzt sind es 8 (siehe Kasten).

Die designierte Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, ist unterdessen erstmals nach dem Bekanntwerden ihrer Kandidatur öffentlich aufgetreten. Herrschaftlich hoch über der Stadt, im zehnten Stock des Borsigturms in Tegel, diskutierte Künast mit den Spitzen von Industrie- und Handelskammer (IHK) und DGB zum Thema "Zukunftswerkstatt Green Economy". Journalistenfragen nach ihrer Kandidatur, die sie offiziell voraussichtlich nächste Woche Freitag bei einer Grünen-Mitgliederversammlung bekannt geben wird, ließ sie erneut offen. Auch ihre Mitdiskutanten hatten sich offenbar verständigt, das Thema nicht anzuschneiden. So blieb es bei interpretationsfähigen Andeutungen. "Sie müssen immer ein Flaggschiff, eine key figure haben, die das Ganze zieht", sagte Künast etwa. Das war zwar auf wirtschaftliche Clusterbildung bezogen, ließe sich aber auch auf die Grünen übertragen. Kryptisch war sie allerdings, als sie zu wenig Freiflächen in der Stadt bemängelte und dazu die Bebauung des Potsdamer Platzes anführte - dabei liegt gerade der neben der großen Frei- und Freizeitfläche des Tiergartens.

Künast war in der Runde alles andere als ein Fremdkörper zwischen den Wirtschaftsbossen neben ihr. Vor allem mit IHK-Präsident Eric Schweitzer kann sie sichtlich gut. Das war schon erkennbar, als Schweitzer 2009 Gastredner beim Grünen-Landesparteitag war. Auch am Mittwochabend kamen die beiden miteinander scherzend die zehn Stockwerke in die Spitze des Borsigturms hoch.

Die Frage nach der Künast-Kandidatur kam erst zur Sprache, als sie selbst wegen eines anderen Termins schon weg war. Beantworten musste sie ausgerechnet der Mann, der ohne Künast wahrscheinlich selbst Spitzenkandidat der Grünen wäre und nun den Ersatzmann in der Diskussionsrunde gab: Fraktionschef Volker Ratzmann. Er solle doch mal den Satz vollenden, "Wenn Renate Künast tatsächlich Regierende Bürgermeisterin wird …", drängte ihn die Moderatorin der Runde. "Dann", so Ratzmann, "geht es mit der Stadt aufwärts." Und er selbst wäre immerhin Innensenator. Aber das sagt er natürlich nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.