Schulprojekt zur Teilung Berlins: Die Mauer ist weg

Die Schüler einer Kreuzberger Grundschule haben erprobt, wie sich das Leben in einer geteilten Stadt anfühlt. Die Ergebnisse sind in der Mauergedenkstätte zu sehen.

Eine Gruppe von etwa 50 Kindern bewegt sich auf eine Mauer aus Pappkartons zu. Sie alle tragen orangefarbene oder blaue T-Shirts. Vor der Mauer halten sie kurz an. Aber es ist beschlossene Sache: Die Mauer muss weg. Und so stemmen sich die Kinder dagegen und bringen sie zum Einsturz. Mit Freude klettern sie über die Trümmer hinweg.

Die Pappmauer stand ganze sieben Tage. Symbolisiert hat sie aber fast 30 Jahre. 100 Schüler der ersten bis sechsten Klassen der Nürtingen-Grundschule in Kreuzberg setzen sich in einem Projekt über mehrere Monate mit der Berliner Mauer auseinander. Seit dem gestrigen Dienstag ist das Projekt auch der Öffentlichkeit zugänglich. Es wird unter dem Titel "Auf der Mauer, auf der Lauer" in der Gedenkstätte Berliner Mauer ausgestellt.

Anja Scheffer von SIDEviews e. V. hat das Projekt initiiert und geleitet. "Wir wollen den Kindern schwierige Formate vermitteln. Und im Lehrplan kommt die Mauer leider nicht vor."

Das Projekt hatte drei Phasen. Im ersten Teil wurden die Schüler zunächst vor der Kamera gefragt, wie viel sie über das Thema wissen. Um ihr Wissen zu erweitern, besuchten sie die Mauergedenkstätte und interviewten Zeitzeugen. Die Interviews sind in der Ausstellung zu sehen.

Im zweiten Schritt erlebten die Kinder die Teilung. Dafür wurden sie von ihrem besten Freund getrennt und auf zwei Länder aufgeteilt. Auf der einen Seite der in der Schulaula aufgestellten Pappmauer war "Blauland", das den Osten darstellte, und auf der anderen Seite "Orangania". Die Bewohner von Blauland durften sich nur flüsternd unterhalten, keine Briefe schreiben und die Mauer nicht berühren, weil davor ein Todesstreifen angelegt war. Dafür konnten sie musizieren. Die Instrumente mussten aber aus Orangania geschmuggelt werden.

In Orangania hingegen konnten die Schüler Briefe schreiben und über die Mauer werfen, um mit Freunden Kontakt aufzunehmen. "Liebe Emilia, ich vermisse dich sehr", schrieb eine Schülerin ihrer Freundin. Die Teilung war keine Kleinigkeit für die Kinder. Der symbolische Mauerfall am Ende bedeutete eine kleine Erleichterung.

Die dritte Phase ist nun die Ausstellung. Zur Eröffnung am Dienstag ist die Gedenkstätte erfüllt von Kinderstimmen, Schüler in Orange und Blau flitzen durch die Räume. In mehreren Sprachen, unter anderem in Türkisch und Schwedisch, erklären die Kinder den Besuchern selbst, was sie erlebt und gelernt haben.

"Dieses Verständnis hätte man niemals durch herkömmlichen Geschichtsunterricht erreicht", sagt Markus Schega, Schulleiter der Nürtingen-Grundschule. Zudem hätten die Kinder auch Kompetenzen für andere Fächer gesammelt, wie das Führen von Interviews.

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