JAHRESTAG DES KRIEGSENDES: Erinnern an die Befreiung

Mehrere tausend Menschen trafen sich am 9. Mai am Ehrenmal in Treptow. Einige waren extra aus Russland angereist.

Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park Bild: Olga Kapustina

Ein alter Mann steht im Schatten des Soldaten aus Bronze, der so hoch ist wie ein zehnstöckiger Plattenbau. Der Soldat hält in einer Hand ein Kind und in der anderen ein Schwert, mit dem er ein Hakenkreuz zerschlagen hat. Hermann Sachse ist am Sonntag zum Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park gekommen. "Ich stehe hier mit dem Gefühl der Dankbarkeit", sagt der 82-jährige Berliner. "Der 9. Mai war für mich ein Tag der Befreiung - von der Angst, dass das Leben täglich bedroht ist." Sachse kommt jedes Jahr zum Fest am Sowjetischen Ehrenmal.

Er ist seit mehr als 15 Jahren Mitglied des Vereins "Berliner Freunde der Völker Russlands". Dabei war Sachse ein halbes Jahr bei der Wehrmacht, mit 17 ist er einberufen worden. An der Front war er nicht, doch er nahm an der Verteidigung Dresdens teil. "Ich werde nie leugnen, dass ich als junger Mann auf der Nazi-Seite stand", sagt der Rentner.

In diesem Jahr jährt sich das Kriegsende zum 65. Mal. Mehrere tausend Menschen sind zu dem Denkmal an der Puschkinallee gekommen. Eltern legen mit ihren Kindern Blumen nieder und fotografieren sich vor dem Ehrenmal. Fast alle sprechen Russisch, viele sind aus Berlin, viele aber auch nur zu Besuch hier. Sie tragen Bändchen mit schwarzen und orange Streifen, zur Schleife gebunden oder als Armband. Es ist ein modernes Symbol der Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird.

Der Kriegsveteran Ewgrenij Fedotow ist aus Moskau extra nach Berlin gekommen, um den Jahrestag zu feiern. "Das Sowjetische Ehrenmal ist ein Meisterwerk", sagt der 85-jährige Mann mit den vielen Orden an der Jacke. Ein Mädchen will ein Foto mit ihm machen. Fedotow umarmt es und lächelt glücklich in die Kamera.

Unterdessen beobachtet Hermann Sachse die Besucher vor dem Ehrenmal. Die Feier im Treptower Park mochte er schon zu DDR-Zeiten. Damals kamen zudem sowjetische Offiziere und Vertreter der Nationalen Volksarmee der DDR zur Kranzniederlegung. Vor dem Ehrenmal stand ein Orchester. "Als die offizielle Seite vorbei war, haben auch die Werktätigen die Blumen niederlegt", erinnert sich der Mann mit Brille und brauner Schildmütze. Heute ist das anders, nichts ist vom Militär organisiert. Die Feier gefällt Hermann Sachse aber immer noch, besonders, dass viele Jugendliche ungezwungen zum Ehrenmal kommen.

Oscar Entrambasaguas ist am Sonntag aus Stockholm eingereist. Die Mutter des schwedischen Finanzberaters kommt aus Russland. Er wolle seinen Vorfahren die Ehre erweisen, erzählt der 35-Jährige. Der Mann im Anzug legt rote Rosen am bronzenen Soldaten nieder. Danach geht er zum Fest, das auf dem Parkplatz gegenüber dem Ehrenmal von mehreren antifaschistischen Initiativen organisiert wird. Hammer, Sichel und fünfzackige Sterne sind überall zu sehen: auf Flaggen, T-Shirts und Plakaten. An den Ständen werden russisches Bier, Wodka, Pelmeni und Borschtsch verteilt - gegen eine festgelegte Spende. Ein Antiquar zeigt einen Karton mit verstaubten Aufsätzen von Lenin. Aus den Boxen ertönen sowjetische Lieder.

Für Hermann Sachse sind die Feierlichkeiten auch am Sonntag abend noch nicht zu Ende. Am Dienstag fliegt der Berliner nach Moskau. Er ist von einem russischen TV-Sender zum Dreh eines Dokumentarfilms eingeladen. Geplant sind auch Treffen mit russischen Kriegsveteranen.

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