Kommentar Mauergedenken: Frischer Grusel zum Einheitstag

Der CDU-Poltiker Uwe Lehmann-Brauns will einen DDR-Wachturm am Checkpoint Charlie aufstellen lassen. Sonst noch was?

Noch ein Skandal: Touristen besuchen in kurzen Hosen den Checkpoint des Grauens Bild: dpa

Kennen Sie Uwe Lehmann-Brauns? Nicht? Der Mann ist Christdemokrat, Vizepräsident des Berliner Abgeordnetenhauses und im Hauptberuf West-Berliner. Als solcher fehlt ihm was. Vor dem 20. Jahrestag der Wiedervereingung wird sein Phantomschmerz unerträglich. Deshalb hat Lehmann-Brauns am Mittwoch einen Fünf-Punkte-Plan in die Welt geschickt: zur Rettung des Checkpoint Charlie.

Denn wo einst "gedroht, geschossen, verhaftet und geflüchtet wurde", kann man sich heute "auf Liegestühlen lümmeln", hat Lehmann-Brauns festgestellt. Das könnte man durchaus als zivilisatorischen Fortschritt bezeichnen. Nicht so Uwe Lehmann-Brauns. Der will sich wieder gruseln. Und dafür einen DDR-Wachturm. Falls es den echten nicht mehr gibt, irgendeinen anderen. Und falls am ursprünglichen Ort kein Platz ist, soll man halt ein paar Meter daneben zielen, äh, bauen. Schließlich muss den Cocktail saufenden Touris, die zu doof sind, die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße zu finden, auch hier was geboten werden. Man fragt sich nur, warum Lehmann-Brauns nicht das gleiche fürs Brandenburger Tor fordert. Da gibt es auch Touristen - ganz ohne Wachturm.

Der CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns will, dass am Checkpoint Charlie wieder ein Wachturm steht. Ein geeigneter Turm stehe im Alliierten Museum Dahlem. Lehmann-Brauns, der auch Vizepräsident des Abgeordnetenhauses ist, kritisierte am Mittwoch, Touristen suchten am Checkpoint Charlie vergeblich nach Spuren des früheren Grenzübergangs zwischen Ost- und Westberlin.

Lehmann-Brauns, einst kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion, schlug auch vor, an der Ecke Friedrichstraße/Zimmerstraße mit einer Plastik an den Cellisten Mstislaw Rostropowitsch zu erinnern, der dort nach dem Mauerfall spielte. "Um die Bedeutung des Platzes zu vertiefen", plädierte Lehmann-Brauns in seinem Fünf-Punkte-Plan zudem dafür, den U-Bahnhof Kochstraße in "Checkpoint Charlie" umzubenennen.

Die Originalanlagen am Checkpoint waren kurz nach dem Mauerfall abgeräumt worden. Besucher finden dort heute Schauspieler in Uniformen vor einer im Jahr 2000 aufgestellten Replik einer Kontrollbaracke aus den 60er Jahren. (taz)

Der einzig diskutable Vorschlag von Lehmann-Brauns ist leider zum Scheitern verurteilt: die Umbennung des U-Bahnhofs Kochstraße in "Checkpoint Charlie". Denn der Name "Kochstraße" ist sakrosant. Eine Umbennung zu teuer. Das weiß doch jeder seit der Debatte um die Rudi-Dutschke-Straße. Zum Trost für Lehmann-Brauns gibt es ab Sonntag den Mauerstreifen als Computerspiel. Da kann man flüchten, verhaften, drohen und sogar schießen. Aber das ist Lehmann-Brauns dann wohl auch wieder zu realistisch.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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