Museum für Zwangsarbeiter: Kritzeleien im Keller

Das Dokumentationszentrum in Schöneweide hat ein weiteres Gebäude zum Museum umbebaut: die "Baracke 13". Früher lebten hier Zwangsarbeiter.

Jozef Przedpelski, weißer Haarkranz, eingefallene Wangen, knetet die Hände. Er erzählt von den Razzien, von der regelrechten "Jagd auf Menschen", schließlich von der Deportation. Und er erinnert sich an das "P", das er an der Jacke tragen musste und das ihn als Polen kennzeichnete. Als einen "Untermenschen", sagt er.

Josef Przedpelski stammt aus Lodz, 1944 wurde er in Warschau bei einer Razzia festgenommen, weil er am dortigen Aufstand beteiligt war, wie der 89-Jährige berichtet. Die Nazis verschleppten ihn nach Berlin, hier musste er als Zwangsarbeiter für die Deutsche Reichsbahn malochen. Nun sitzt Przedpelski in einem kahlen, 37 Quadratmeter großen Raum, ein Teil der Baracke 13 des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Schöneweide. Am Montag wurde sie als neuer Bestandteil des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit der Stiftung Topographie des Terrors eröffnet.

Fast ein Jahr dauerten die Renovierungsarbeiten und der Umbau zum Museum. 770.000 Euro haben Umbau der Baracke gekostet, jeweils zur Hälfte finanziert aus Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und aus Mitteln der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. "Ein einmaliges Zeugnis", sagt Christine Glauning, die Leiterin des Dokumentationszentrums. "Baracke 13 ist das Gebäude mit der am besten erhaltenen historischen Bausubstanz. Damit ist es das Authentischste."

Baracke 13 ist eine von elf erhaltenen Unterkunftsgebäuden des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers, in dem italienische, West- und Osteuropäische Zwangsarbeiter interniert waren. 2.160 Menschen fasste das Lager gesamt. Es war eines von rund 3.000 Sammelunterkünften in Berlin, 1944 lebten in der Stadt 400.000 Zwangsarbeiter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Rote Armee das Gebäude als Materiallager, die Spitze eines gemalten Sowjetsterns an der Decke zeugt davon. Zu DDR-Zeiten wurden hier Kühlschränke hergestellt, später Metall verarbeitet. In den vergangenen Jahren gehörte das Gebäude einem Antiquitätenhändler,der es zumüllte.

Die ehemaligen Besitzer entfernten Wände, bauten neue Fenster ein und Türen mit Rollgeschieben. 2008 kaufte das Land Berlin die Baracke und baute die Veränderungen zurück. Neue Trennwände sind dort eingesetzt, wo die alten waren. Sie dienen als Ausstellungsfläche, für Projektionen, Beschriftung oder Bemalung. In einem der Räume ist ein Waschbrunnen zu sehen. Auf weiteres Inventar wird verzichtet: In dem Raum, in dem Jozef Przedpelski von seiner Verschleppung berichtet, standen acht Stockbetten, 16 Menschen wohnten in dem Zimmer.

Die Baracke selbst soll das zentrale Exponat sein. Deshalb sei sie nur sparsam musealisiert worden, erklärt die Projektleiterin Daniela Geppert bei einem Rundgang durch das Gebäude. Jeder Raum hat ein Motto: "Verzweiflung", "Lebensradius" oder "Deutsches Lagerpersonal". Passend dazu zeigen die Kuratoren Zitat-Tafeln von Zeitzeugen, die in unterschiedlichen Berliner Lagern interniert waren und aus ihren Erinnerungen berichten. Zeitzeugen, die im Lager Schöneweide gelebt haben, sagt Geppert, seien nicht mehr aufzufinden. Auch Jozef Przedpelski war in einem anderen Berliner Lager kaserniert.

Ein besonderes Exponat ist der Luftschutzkeller der Baracke. Es ist eng hier unten, der Keller ist in kleine Zellen unterteilt. An den Wänden sind Kritzeleien zu lesen, die ehemals Inhaftierte vor mehr als 60 Jahren hinterlassen haben. "No si fumare" steht da - "nicht rauchen". Einer hat das Alphabet an eine Wand geschrieben. Andere ihre Namen, Daten - ein Art Tagebuch der Luftangriffe. Und dann steht da noch: "Pasato" - "vorbei".

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