Ein Jahr vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus: Linke haben sich müde regiert

Ein Jahr vor der Wahl steht die Linkspartei traurig da: Die Aussicht auf Wiederwahl ist gering, die politischen Ziele sind vage. Einzige klare Ansage der Linken: Künftig könnten sie auch mit den Grünen regieren.

Wie rot mag Berlin nach der nächsten Wahl noch sein? Bild: dpa

Der Countdown läuft: Genau heute in einem Jahr wählt Berlin voraussichtlich einen neuen Landtag, zeitgleich mit Mecklenburg-Vorpommern. Damit könnte heute das vorerst letzte Regierungsjahr der Linkspartei beginnen. Denn Umfragen zufolge hat Rot-Rot seit November 2008 keine Mehrheit mehr. Und anders als die SPD kommt die Linke in künftigen Koalitionsszenarien bislang gar nicht mehr vor.

Auf ein Oppositionsdasein mag man sich aber bei der Linkspartei noch nicht einstellen. "Die aktuellen Umfragen sagen gar nichts, da kann noch viel passieren", sagt der Fraktionsvorsitzende der Linken, Udo Wolf. Statt dessen bietet sich die Partei jetzt den boomenden Grünen als Partner an. Man sei keineswegs auf die Sozialdemokraten als Koalitionspartner festgelegt, so Fraktionschef Wolf: "Falls der Grünen-Boom doch anhält, und die SPD nicht Juniorpartner der Grünen werden will - wir hätten damit kein Problem", so Wolf: "Grün-dunkelrot ist auch eine Möglichkeit". Das sieht auch der linke Wirtschaftssenator Harald Wolf nicht anders, bloß nennt er die mögliche neue Mischung "grün-richtigrot".

Und auch wenn es in der öffentlichen Debatte gegenwärtig nur um Grün-Schwarz, Grün-Rot oder Rot-Grün geht: Nach jetzigem Stand wäre eine solche Koalition aus Linkspartei und Grünen rechnerisch gar nicht so weit hergeholt. Denn einem Bündnis zwischen Grünen und Linkspartei fehlt nach der jüngsten Umfrage nur ein Prozentpunkt zur Mehrheit. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass die auf vier Prozent abgerutschte FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt und nicht wieder ins Parlament kommen, genauso wenig wie eine andere fünfte Partei.

Ein grün-linkes Bündnis war auch deshalb bisher kaum in der Diskussion, weil beide Parteien bei wichtigen Themen zu weit auseinander zu liegen scheinen. Etwa beim Thema Privatisierung: Bei der S-Bahn setzten die Grünen Grün auf Ausschreibung, Wettbewerb und einen möglichen Betrieb durch private Anbieter. Die Linkspartei hingegen favorisiert ein landeseigenes Unternehmen. Für Linken-Fraktionschef Wolf ist das jedoch aus Erfahrung keine unüberwindliche Trennlinie: "Als wir die Koalition mit der SPD angefangen haben, wollte die ja auch noch alles privatisieren, was nicht bei drei auf den Bäumen war", so Udo Wolf. Das sei heute deutlich anders - warum also sollte das nicht auch bei den Grünen möglich sein?

Drei große Dinge will Fraktionschef Wolf im möglicherweise letzten Regierungsjahr der Linksparte noch durchsetzen: : das Integrations- und Partizipationsgesetz, das Klimaschutzgesetz und - zusammen mit dem ebenfalls rot-rot regierten Brandenburg - eine Bundesratsinitiative zu höherem Spitzensteuersatz und Vermögenssteuer. Beim Klimaschutzgesetz klingen aber Zweifel des Fraktionsvorsitzenden durch, ob ein Beschluss schon in den nächsten Monaten möglich ist. Er spricht von einem "schwierigen Verhandlungsprozess um Kompromisslösungen" zwischen Mieter- und Umweltschutz.

Die Verlängerung der Stadtautobahn A 100, die der Senat nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens im Dezember beschließen soll, will die Linkspartei aussitzen. "Für uns ist entscheidend, dass die endgültige Entscheidung erst nach der Wahl fällt", sagt Wolf.

Dass der Landesvorstand der Partei ebenfalls auf ein Weiterregieren setzt, überrascht wenig. Doch auch an der Basis, in den Bezirksverbänden, ist keine Stimme zu vernehmen, die ausdrücklich den Gang in die Opposition fordert.

"Bei uns gibt es keine solche Bewegung und ich kann so etwas auch in anderen Bezirken nicht entdecken", sagt etwa Pankows Linksparteichef Sören Benn. Das gilt offenbar auch für die Westbezirke, die in der Vergangenheit des öfteren im Clinch mit der Parteispitze lagen. Auch die Neuköllner Linkspartei, neue Heimat der Trotzkistin Lucy Redler, die die PDS lange bekämpfte, ist nicht auf Oppositionskurs. "Wir sind nicht grundsätzlich für oder gegen Regierungsbeteiligung", sagt ihr Bezirkschef Ruben Lehnert. Er fordert lediglich, sich im Wahlprogramm auf keinen Koalitionspartner festzulegen, statt dessen aber festzuschreiben, was mit der Linkspartei grundsätzlich nicht verhandelbar ist.

"Regieren um jeden Preis will niemand,", sagt auch Torsten Hesse, Linkspartei-Chef in Charlottenburg-Wilmersdorf, "aber eine Partei, die nicht mit dem Anspruch antritt, ihr Programm auch umsetzen zu wollen, ist doch unglaubwürdig."

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