Blei im Gras

HANF „Cannabis ist Weltkultur“ lautete das Motto der 14. Berliner Hanfparade, die vom Alex zum Reichstag zog. Die Polizei spielte nicht mit und nahm dabei 23 Menschen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz fest

Das Wissen um Hanf und seine Nutzung als Genussmittel und Medizin soll verstärkt thematisiert werden

VON DETLEF KUHLBRODT

Am Samstagnachmittag sieht der Alex wieder ziemlich strange aus. Auf der einen Seite wird mit vielen Ständen für ein bedingungsloses Grundeinkommen geworben, ein paar Meter weiter, am Fernsehturm, versammeln sich die Hanfaktivisten. So richtig viele sind noch nicht zur Auftaktkundgebung der 14. Berliner Hanfparade gekommen, die in diesem Jahr unter dem Motto „Cannabis ist Weltkultur“ steht.

Das Wissen um die schöne Kulturpflanze und ihre Nutzung als Rohstoff, Genussmittel und Medizin soll wieder in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gestellt und die gesamte Hanfkultur dem immateriellen Weltkulturerbe der Unesco zugeordnet werden.

Unterstützt wird die Parade von verschiedenen hanforientierten Gruppen, der Piratenpartei, den Linken und den Grünen. Eine Reggaeband spielt, grüne Luftballons werben für selbstbestimmten Hanfgenuss. Das Publikum ist gut gemischt und sympathisch. Man sieht viele lächeln. Senioren sind auch dabei. Ein paar Rollstuhlfahrer, bunte Freaks, Kinder mit ihren Eltern, ein Mann mit einem Papagei auf seiner Schulter.

Steffen Geyer, der Versammlungsleiter, trägt eine rote Perücke und wuselt durch die Gegend. Drei junge Mädchen sind aus Bayern gekommen, einer Weltgegend, in der Hanffreunde übel verfolgt werden. Sie haben im Fachmagazin Grow von der Hanfparade erfahren und sind zum ersten Mal dabei. Auf ihrem Schild steht „Kiffen statt Koma-Saufen“. Auf einem anderen, das jemand aus der Abordnung des Grow- und Headshops „Klaus der Gärtner“ trägt, steht „Wer Hanf verteufelt ist selber einer“. Während junge Punks auf dem Boden sitzen und kleine Wasserpfeifen zum Bier rauchen, weist Theo Pütz, der Vorsitzende des Vereins für Drogenpolitik e. V., darauf hin, dass die Illegalität eben nicht egal ist: „Alle drei Minuten wird in Deutschland ein Kiffer verhaftet. Das ist alle drei Minuten ein Kiffer zu viel!“

Am Rande steht Rollo Ebbinghaus vom Hanfmuseum. Vor zwei Jahren hatte er sich ganz wacker geschlagen, als Christian Ulmen ihn in Gestalt seiner Kifferfigur Maurice Horstman im Hanfmuseum besucht hatte. Das Video davon steht noch im Netz. Klischeefiguren wie Maurice Horstmann sucht man vergebens auf der Hanfparade. Auf der Bühne steht Günther Weiglein. Er gehört zu den wenigen Schmerzpatienten in Deutschland, die legal kiffen dürfen. Den Polizisten, die ihn später verhaften wollen, zeigt er einfach sein Rezept und darf dann weiterrauchen. Ein Hanffreund der Piratenpartei liest seine kleine Rede vom Laptop ab, die Polizei weist darauf hin, dass nicht gekifft werden darf. Dann zieht die Parade Richtung Hackescher Markt.

Eine mobile Rechtsberatung ist auch dabei. Der Drogenaktivist und Mitbegründer von Eve & Rave, Hans Cousto, sagt, er hätte nun 1.600 Teilnehmer gezählt. Am Hackeschen Markt erzählt Rollo Ebbinghaus marihuanaorientierte Witze.

In der Oranienburger Straße wird dem Tacheles Unterstützung zugesagt. „Anarchie im Rahmen der FdGO“ ist einer der Slogans der Piratenpartei. Tibor Harrach, ein langjähriger drogenpolitischer Aktivist der Grünen, spricht in der Friedrichstraße. Der Drogenkrieg, in dem es vor allem auch um Marihuana geht, treibt Mexiko in den Ruin; Verunreinigungen im Gras, durch Blei etwa, führen zu Gesundheitsschäden; es gibt allerdings auch gute Zeichen: In Tschechien und Portugal ist der Hanfanbau keine Straftat mehr, sondern nur noch Ordnungswidrigkeit, und in Kalifornien steht eine Volksbefragung in Sachen Legalisierung an.

Hemp, Hemp Hooray

taz-Kollegin Julia Seeliger erklärt, es gebe hierzulande eine Mehrheit für die Legalisierung und appelliert, sich dafür auch aktiv einzusetzen. Jemand ruft „Hemp, Hemp Hooray!“ Kurz hinter Unter den Linden zieht der bunte Zug an einem Trinker vorbei, der den Hanffreunden zuprostet. Ein Mädchen setzt sich neben ihn und lässt sich fotografieren. Vor dem Reichstag ist die Abschlusskundgebung. Mittlerweile sind etwa 2.000 Hanffreunde dabei. Der Abwärtstrend der letzten Jahre wurde gestoppt.

Hans Cousto hält eine Grundsatzrede über Rausch und Kultur, die gentrifizierungskritisch endet. Ein paar zu offensichtlich kiffende Jugendliche werden von der Polizei abgeführt. Vielleicht hätte man deutlich darauf hinweisen sollen, dass Kiffen noch nicht legal ist.