„Nachfragen ist die beste Lösung“

INTERSEXUELL Für die Abschaffung der Personenstandseintragung „männlich/weiblich“ in der Geburtsurkunde plädiert wird auf der Trans*Tagung im Pfefferwerk. Ein Gespräch mit Mitveranstalter Thoralf Mosel

„Jeder Mensch muss mit einer geschlechtlichen Zuschreibung zurechtkommen“

INTERVIEW DIANA WEIS

taz: Herr Mosel, Sie bezeichnen sich selbst als sowohl inter- als auch transgeschlechtlich. Als wir im Vorfeld zu diesem Interview telefoniert haben, war ich mir nicht ganz sicher, welches persönliche Pronomen ich verwenden soll. Gibt es dafür eine Patentlösung?

Thoralf Mosel: Man kann das eigentlich nur falsch machen. Früher habe ich gern absichtlich Verwirrung gestiftet und zu meinen weiblichen Vornamen das männliche Pronomen verwendet. Auf Dauer ist das aber eine Anstrengung bis hin zu einer Zumutung. Das geht vielen Transleuten so. Automatisch stört man irgendwelche Strukturen, weil man mal anders geheißen hat oder sich jetzt anders anzieht. Es stört Abläufe. Ich möchte aber nicht immer nur nerven, deswegen habe ich mir für offizielle Zusammenhänge einen männlichen Vornamen angeschafft, dann erklärt sich das mit dem Pronomen von selbst. Dafür braucht man in Deutschland zwei unabhängige Gutachten. Das kostet Geld und sehr viel Zeit und ist ein Akt vor Gericht.

Und wenn der Fall nicht so eindeutig liegt?

In einer direkten Kommunikationssituation nachzufragen ist die beste Lösung und kommt auch meistens gut an. Eine Ausnahme sind vielleicht Transmenschen, die sich sehr eindeutig geben, zum Beispiel Transfrauen, die betont feminin auftreten und sich mit einem weiblichen Vornamen vorstellen. Da kann die Frage „Bist sie oder er?“ schon mal als Provokation aufgefasst werden.

Der Verein, für den Sie arbeiten, heißt TransInterQueer, kann man diese drei Begriffe voneinander abgrenzen?

Intergeschlechtliche Menschen können bei ihrer Geburt von der Medizin nicht eindeutig als Mädchen oder Junge eingestuft werden. Es gibt aber auch Menschen, die medizinisch zunächst nicht auffallen und die erst später im Leben mit der Thematik umgehen können, müssen oder wollen. Leider gibt es dazu kaum Statistiken, die meistzitierte spricht von 80.000 bis 100.000 intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland. Transgeschlechtlichkeit ist dagegen etwas, das offiziell tragischerweise immer noch als psychische Störung gilt. Diese Menschen fallen körperlich erst mal nicht auf, stellen aber irgendwann später in ihrem Leben fest, dass die Kategorie, in die sie eingeordnet werden – also Mann oder Frau – für sie einfach nicht stimmt. Trans zu leben heißt, sich dafür zu entscheiden, nicht oder nicht nur das Geschlecht zu leben, in das man einmal eingeordnet wurde. Dabei ist es unwichtig, ob man sich als transexuell, transgender, Transvestit oder was auch immer versteht. Queer ist keine dritte Gruppe, sondern steht für den Wunsch, Geschlechtskategorien infrage zu stellen und Strukturen aufzulockern.

Ein wichtiges Thema der Trans*Tagung ist die Personenstandseintragung im Pass und in der Geburtsurkunde. Wünschen Sie sich, dass es neben den Optionen männlich oder weiblich noch eine dritte, vierte oder fünfte Möglichkeit gibt?

Wir würden uns wünschen, dass es diese Eintragung gar nicht mehr gibt. Es gibt aus unserer Sicht rechtlich kaum Gründe dafür, festzuhalten, in welche Geschlechterkategorie ein Mensch eingeordnet wird. Diese Eintragung ist eigentlich nur noch deshalb notwendig, weil es den Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft gibt und aufgrund der Wehrpflicht.

Am 9. Oktober findet im Rahmen der Trans*Tagung eine Soli-Party zur Finanzierung einer Klage gegen das Transsexuellengesetz (§8 TSG) statt. Worum geht es bei dieser Klage?

Bisher schreibt die gesetzliche Regelung vor, dass Menschen, die ihren Personenstand ändern wollen – etwa, um eine Ehe einzugehen –, einen chirurgischen Eingriff vornehmen lassen müssen. Diese Operation ist aber nicht immer erwünscht und stellt außerdem ein gesundheitliches Risiko dar. Es ist ein Unding, dass man sich zwischen körperlicher Unversehrtheit und der rechtlichen Absicherung entscheiden muss. Deswegen sind wir uns ganz sicher, dass diese Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg hätte.

Das Motto der diesjährigen Trans*Tagung ist „Trans ist für alle da“. Wie ist das gemeint?

Damit wollen wir ausdrücken, dass Trans eine sehr offene Definition ist. Das Phänomen Trans löst bei vielen Menschen Ängste aus. Wir glauben aber, dass davon grundsätzlich alle betroffen sind. Jeder Mensch hat eine geschlechtliche Zuschreibung, mit der er oder sie zurechtkommen muss. Es gibt für jeden Menschen gute Gründe, mal darüber nachzudenken, ob und warum er sich mit dieser Zuschreibung wohl fühlt.

■ Die 14. Berliner Trans*Tagung findet von 7. bis 10. Oktober im Pfefferwerk statt. www.transtagung.tk