Dilettanten aus Tradition

AMATEURBAND Die Wallerts verzichten konsequent auf eine Karriere als Musiker. Sie haben lieber Spaß, betreiben „Popmusikmusikgeiselnahme“ und verhackstücken ihre Lieblingssongs. Geübt wird höchstens einmal die Woche

Weil Die Wallerts keine gewöhnliche Coverband sein wollen, sind die Vorlagen oft bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt

VON THOMAS WINKLER

Robert weiß, wie Werbung geht. Er hat eingekauft. Seinen Einkauf hat er in einer Plastiktüte mitgebracht. In der Tüte sind verschiedene Sorten Bier. Jeder darf sich eine aussuchen. Dann geht das Feuerzeug rum. Es macht Plopp, und der Übungsraum der Wallerts, der tatsächlich in einem Keller liegt, ist auch gleich gar nicht mehr klamm.

Dem Popgeschäft geht es schlecht, das serviert nur Softdrinks zum Interviewtermin, bestenfalls einen von Praktikanten mühselig aufgeschäumten Milchkaffee. Die Wallerts dagegen servieren Bier. Denn sie machen zwar Musik, aber kein Geschäft damit. „Es ging uns nie darum, etwas aus dem Boden zu stampfen, mit dem man Erfolg haben könnte“, sagt Kontrabassist Robert, „wir sind keine Mucker, uns ging es von Anfang an nur um den Spaß.“

Mit Spaß Ernst machen

Das mit dem Spaß, das sagen alle. Doch Die Wallerts meinen es ernst. Seit sie sich 2004 gründeten, haben sie nie versucht, bei einer Plattenfirma einen Vertrag zu bekommen, sie sind und bleiben Amateure aus Überzeugung und Dilettanten aus Tradition. Sie verschenken ihre Musik digital, und mit den CDs, die sie bei ihren Auftritten verkaufen, refinanzieren sie, wenn es gut läuft, die Kosten fürs Presswerk. Sie treffen sich höchstens einmal pro Woche zum Üben, und wenn das Wetter danach ist, gehen sie lieber raus und machen ein bisschen Straßenmusik. Eine ernstzunehmende Karriere als Musiker könnten sie sich gar nicht leisten, dazu müssten die fünf Mittdreißiger ja ihre Jobs aufgeben als Fotograf oder Unternehmensberater, Grafiker oder Dachdecker. Früher spielten sie zum Vergnügen auf Privatpartys für ein paar Bier, heute sind sie eine Lokalgröße und füllen immerhin Orte wie die Tanzwirtschaft Kaffee Burger.

Die Leute kommen aus zwei Gründen. Erstens haben sie genauso viel Spaß wie die Band, denn Die Wallerts spielen Humppa, die finnische Version der Polka, eine sichere Methode, die Sau rauszulassen. Und zweitens darf das Publikum so schön rätseln: Die Wallerts klauen sich quer durch die Musikgeschichte, verhackstücken Hits und persönliche Lieblingssongs. Auf ihrem letzten Album mit dem programmatischen Titel „Raubkopiert“, kostenlos zum Download auf ihrer Website, geht die Reise von den Beach Boys und Kraftwerk über Stevie Wonder und Status Quo bis zu Mando Diao und Shakira. Dabei haben sie festgestellt, dass lange nicht jedes bekannte Lied geeignet ist, zu einem Wallert-Humppa zu werden: „Man glaubt gar nicht, wie viele Popsongs einfach zu langweilig sind“, stöhnt Robert.

Andererseits: Weil Die Wallerts, darauf legen sie größten Wert, keine gewöhnliche Coverband sein wollen, sind die Vorlagen oft bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Man betreibe, formuliert es Akkordeonspieler Dawa, eigentlich „Popmusikgeiselnahme“. Die Geiselnehmer haben mal am Laptop Electronica gebaut, in einer Post-Punk-Band getrommelt, Bass in einer Metalband gespielt oder, wie Robert, „früher Mandolinenunterricht gehabt“. Nun werden die armen Gefangenen einerseits zum hoppeligen Polka-Rhythmus mit Punk-Attitüde gezwungen, und dann auch noch mit neuen Texten versehen, bis sie sich selbst kaum mehr wiedererkennen.

Kein Poster im Angebot

Dabei schöpfen Die Wallerts vornehmlich aus ihrem Lebensumfeld. Aus dem Klassiker „Ich will keine Schokolade“ wird „Ich will keine Bionade“. Statt wie Kraftwerk „Das Model“ besingen sie lieber „Spongebob Schwammkopf“. Und der „Lovefool“ der Cardigans ist in ihrer Bearbeitung „Mandy, das Nazimädchen“.

Aber trotz solcher Songs sieht man sich nicht als Stimmungskapelle für Linke. Die politischen Einschätzungen der fünf Bandmitglieder seien ähnlich weit verzweigt wie die musikalischen Hintergründe. Gemeinsam sei den fünf, sagt Dawa, nur „die Haltung, die Dinge nicht allzu ernst zu nehmen“. Daran liegt es wohl, dass „wir beim schwarzen Block in Friedrichshain nicht so gut ankommen“. Außerdem hat Dawa festgestellt, dass „es Textstellen gibt, die uns Hardcorefeministinnen übelnehmen“.

Mehr Humor offenbarten die echten Wallerts. Im Namen der auf den Philippinen im Jahr 2000 von islamistischen Rebellen entführten Familie kam eines Tages ein Brief. Die Band möge ihnen doch wenigstens CD und Poster zukommen lassen, sozusagen Belegexemplare von den Popmusikgeiselnehmern für die Namensgeber. Aber weil Die Wallerts eben keine normale Band sind, konnten sie den echten Wallerts nur die gebrannte Musik schicken. Denn einen profanen Marketingartikel wie ein Poster, den hatten Die Wallerts nicht im Angebot.

■ Die Wallerts: „Raubkopiert“ (Download auf www.diewallerts.de). Live am 10. 12. im Café Zapata im Tacheles