NÜTZLICHES TAZ.LAB-SPEZIALWISSEN RUND UM WHISKY, DEUTSCHE EICHE UND BLACK-SABBATH-GEDÄCHTNISROCK
: Die Umarmung eines Bären

ANDREAS HARTMANN

Jetzt lass uns endlich mal zu diesem Whisky-Tasting gehen, bei dem Doom-Metal gespielt wird“, meinten meine Nachbarn. „Aber wir haben eher Caipirinha-Wetter, und außerdem sollte ich für diese Kolumne Orte besuchen, von denen der taz-Leser nie zuvor gehört hat. Dieses Whisky-Tasting, bei dem Black-Sabbath-Gedächtnisrock gespielt wird, ist aber Dauergast beim taz.lab“, antwortete ich.

Doch die Karten waren vorbestellt, und das ist ja auch gleich die erste Lektion bei Whisky-Tastings: Es geht hier zu wie in der Oper. Whisky ist teuer, da macht man nicht unnötig Flaschen auf, man kalkuliert und Reservierungen haben unbedingt eingehalten zu werden. Wer erst mal zusagt, sich besaufen zu wollen, hat das dann gefälligst auch zu tun.

Whisky-Tastings haben im Allgemeinen den Ruf, dass sich hier in schummrigen Etablissements, in denen von der Toilette bis zum Tresen alles aus Deutscher Eiche ist, alte Männer gegenseitig mit teurem Scotch zuprosten, andauernd ihre Nasen in die Gläser hängen, ein wenig über den „runden Geschmack“ des Tropfens philosophieren, über dessen Rauchigkeit und den Abgang, bei dem man einen „Hauch von Johannisbeere“ verspüre. Bei „Taste the Doom“, einem Whisky-Tasting für Hipster, Metalfans und taz.lab-Besucher, wird jedenfalls genau so schwadroniert. Einer am Tisch hat Dreadlocks und legt später noch für die gut alkoholisierten Gäste Tarot-Karten, die Frau neben mir ist Neue-Musik-Pianistin, ihr Begleiter Komponist von Avantgarde-Musik. Dennoch stellt sich bald heraus, dass scheinbar alle hier hobbymäßig Whisky-Kenner sind und wissen, dass amerikanischer Bourbon in Fässern aus amerikanischer Weißeiche gelagert wird und dass der Anteil künstlicher Farbstoffe im Whisky so verschwindend gering ist, dass er vergleichbar ist mit „einem Löffel Senf, den man ins Meer kippt“.

Letzteres sagt Dominik Röttgers, ein, wie es der Zufall so will, ehemaliger taz-Mitarbeiter, der jetzt aber voll in die Whisky-Szene eingestiegen ist, sein „Hobby zum Beruf“ gemacht hat, wie er sagt und in einem Friedrichshainer Whisky-Laden arbeitet.

Bei „Taste The Doom“ geht es schon auch um Whisky als Spezialwissenschaft, ganz so wie bei den traditionelleren Tastings. Man bekommt eine Menükarte, auf der die kredenzten Whiskys und ihr Alkoholgehalt genannt werden, und die beiden Veranstalter, die Musiker und Künstler Lars Lundehave Hansen und Peter Votava, erzählen kurze Geschichten rund um die Drinks. Diese handeln von Brennereien, die es inzwischen teilweise gar nicht mehr gibt, oder davon, wie ausgerechnet dieser oder jener Whisky in die Hände der Gastgeber geraten ist.

Doch dann wird von dem Doom- oder Sludge-Metal erzählt, der zum Booze gereicht wird. Mit unnachahmlich ironischem Unterton zitieren Hansen und Votava aus Bandbiografien, die eigene Musik in höchsten Tönen preisen, was meist leicht lächerlich wirkt, und es wird klar, dass der Whiky-Ernst jetzt doch Pause hat.

So sitzt man in den Prinzessinnengärten in Kreuzberg unter freiem Himmel, trinkt ein Glas Port Charlotte Scottish Barley Heavily Peated und hört dazu ein Stück der Band Bongripper aus ihrem Klassiker-Album „Satan Worshipping Doom“. Man sagt dann nicht, der Inhalt des Glases schmecke nach Moos oder schottischer Abendluft, sondern „wie die Umarmung eines Bären.“ Was aber vielleicht auch daran liegen mag, dass man inzwischen ganz schön einen sitzen hat.