URSCHREI IM SUPERMARKT
: Einkaufs-Overload

Kasse wird geschlossen, bitte keine Waren aufs Band legen

Bei Lidl ist voll was los so früh am Morgen: draußen einer mit gleich drei Instrumenten, Gitarre, Rassel und so ’ne Art Trommel, und drinnen quer geparkte Wagen und lange Schlangen an den Kassen. Ich überlege gerade, ob ich mich anstelle oder drauf hoffe, dass noch eine Kasse aufmacht, als es auf einmal gongt und blinkt und flötet, so ’ne sphärische Stimme vom Band: „Sehr geehrte Kunden …“ Was danach kommt, höre ich kaum, so überrascht bin ich vom Flöten, Gongen und Blinken auf den neuen Schildern über den Kassen, aber dann höre ich es doch: „Wir öffnen Kasse vier für Sie.“ Nur ist es zu spät, denn andere waren nicht so erstaunt wie ich und haben sich zackig angestellt.

„Schon gut“, denke ich. Ich bin da nicht so. Ich raste nicht aus, wenn ich mal warten muss. Andere aber anscheinend doch: Plötzlich schreit es, so ein Urschrei, so ein lautes „Aaaah“ und dann: „Scheiße! Ihr Arschlöcher!“ Ich schaue mich um, aber ich sehe nicht, wo der Schreier ist, klingt wie weiter weg, und dann bin ich auch schon dran, lege mein Frühstück aufs Band. „Schönen Abend Ihnen noch“, sagt der Kassierer, als ich bezahle. Ich schaue ihn an, perplex. Er schaut zurück, schüttelt den Kopf, korrigiert, „Schönen Tag noch“, während es plötzlich wieder röhrt, „Ihr Arschlöcher!“, und gleichzeitig blinkt, in Rot, über der Kasse nebenan, und dann flötet: „Kasse drei wird jetzt geschlossen. Bitte legen Sie keine Waren mehr aufs Band.“

Ich bin froh, als ich draußen bin, aber es ist noch nicht vorbei, denn draußen steht der, der so röhrt: der mit den drei Instrumenten. Jedes Mal, wenn wer vorbeigeht an ihm, ohne ihm was zu spenden, legt er wieder los: „Ihr Arschlöcher! Aaaah!“ Bis zur Ecke höre ich ihn noch, eigentlich auch noch weiter: bis fast in meine Wohnung. Kurz frage ich mich, ob ich die überhaupt verlassen habe oder nur geträumt. Könnte ja sein, so früh am Morgen. JOEY JUSCHKA