Nach Hause fahren

Nostalgie ist eigentlich das Letzte, was man mit Noise-Musik spontan assoziieren würde. Sehnsüchte nach einer wie auch immer gearteten Heimat, die es ja in der Regel nie so gegeben hat, wie die Fantasie sie einem vor Augen hält, mag es wohl auch bei den Wüterichen unter den Musikern geben. Doch wo andere ihre Gefühle – ob echt oder simuliert – schon mal in Balladen mit hinterhältigen Ohrwurm-Melodien stopfen, verstellen die Vertreter der lauten Zunft ihre inneren Regungen sicherheitshalber mit Verstärkertürmen, vergraben sie unter Geröllschichten aus verzerrten Gitarren- und Basstönen oder hauen sie am Schlagzeug kurz und klein. Sollte man zumindest meinen. Nicht so Tony Buck. Der australische Schlagzeuger und Wahlberliner hat zwar seine Vorliebe für präzisen Wumms in zahllosen Formationen dokumentiert, nicht zuletzt mit Projekt Transmit, das inzwischen nur noch Transmit heißt, doch mit seiner bekanntesten Band, den Necks, stets ruhige Töne angeschlagen, die allerdings zu lakonisch waren, um ernsthaft nostalgisch zu wirken.

Dass Buck und seine Mitstreiter von Transmit – Magda Mayas, Brendan Dougherty und James Welburn – eine Schwäche für ausgerechnet den schnulzigsten Song der New-Wave-Popper The Cars haben, für „Drive“ also, haben sie schon vor Jahren auf der Bühne mit einer Coverversion zu erkennen gegeben. Jetzt erscheint ihre Fassung, die sich als fernes Echo des ursprünglichen Materials gibt, mit einigen wenigen Zeilen aus Strophenteil und Refrain, zum ersten Mal auch auf Platte, und zwar ihrem zweiten Album „Radiation“. Das ist auf höchst unkitschige Weise ergreifend – und erinnert daran, dass „Drive“ eben ein wirklich guter Song ist. Darum herum wird übrigens weiter heftig reduziert gerockt, selbst in den Stücken, in denen das Quartett eine langen Anlauf nimmt.

Eine andere Art von Nostalgie treibt die Hauntologists um. Das Duo des Düsseldorfers Stefan Schneider und des Wahlberliners Jay Ahern hat eine Schwäche für die Maschinen, aus denen der Sound von House geboren wurde: allen voran der Drumcomputer Roland TR-808 und der Synthesizer TB-303. Von denen machen sie reichlich Gebrauch, verschalten ihre Klänge zu einem stoischen Maschinenfunk, der als Wiedergänger früher Clubtage auftritt, aber dabei ganz eigen klingt. Sogar afrikanische Polyrhythmen verstecken sich mitunter darin. Im Ergebnis ist das völlig gegenwärtig.TIM CASPAR BOEHME

■ Transmit: „Radiation“ (Monotype)

■ Hauntologists: „Hauntologists“ (Hauntologist)