THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Ob das wohl nie ein Ende nimmt? Sogar in der Weihnachtszeit kommen statt der himmlischen Heerscharen wieder nur die alten dumpfen Nazischaren über uns. Das ist zumindest angesichts der aktuellen Nachrichtenlage zu befürchten. Ob sie unter dem Pseudonym Pegida oder what not die Straßen (und die Bürgerhirne) verstopfen. Oder auf dem Theater uns das Fürchten lehren. Im HAU zum Beispiel, wo die Gruppe Showcase Beat les Mot zur „Langen Nacht der Nazisupermenschen“ eingeladen hat. Wobei das natürlich ironisch sein soll. Trotzdem wirft es das große „Why?!“ auf, ein gestöhntes „Wieso denn schon wieder Nazis?!“ Gibt’s kein anders Thema? Aber lesen wir erst mal im Ankündigungsorakel, was überhaupt geplant ist am 19. Dezember: „Deutschland, 1934, Paralleluniversum Lamda III. Während eines Besuchs bei Albert Einstein stiehlt der Ingenieur Wernher von Braun dessen Telefonbuch. Er interessiert sich nicht für die darin enthaltenen Nummern, sondern für Alberts scheinbar unzusammenhängende Kritzeleien auf dem Umschlag, die er als den Bauplan einer Zeitmaschine identifiziert.“ Des Weiteren ist von einer Zeitreise und einer „retro-aktiven Historien-Reparatur“ die Rede. Ähnliches hat ja in der Vergangenheit auch ein fantastisch gefälschter Werbespot für Mercedes schon versucht: da wurde das Kind Hitler vom elektronischen Sicherheitssystem des Hightech-Autos bei Spielen auf der Straße als zukünftige Gefahrenquelle identifiziert und kurzerhand tot gefahren (HAU 3: „Da Lange Nacht der Nazisupermenschen“, 19. 12. 20 Uhr).

Praktizierende Weihnachtsflüchtlinge schauen dieser Tage natürlich besonders hoffnungsvoll auf die Spielpläne unserer Einrichtungen, die sich dem Multikulturalismus verschrieben haben. Aber Fehlanzeige. Auch das Ballhaus Naunynstraße verfällt in ein einwöchiges Weihnachtskoma und hat zwischen 21. 12. und 27. 12. einfach mal null Produktionen auf dem Spielplan. Das Gorkitheater begegnet dem Thema zumindest ideologiekritisch und spielt eine postmigrantisch durchleuchtete Version von „Der Kleine Muck“, die schon vor einem Jahr herausgekommen ist (Gorki Theater: „Der kleine Muck“, 21. 12., 15 Uhr und 18 Uhr).

Nur die gute alte Volksbühne bietet ab 21 Uhr wie jedes Jahr am Heiligen Abend „Weihnachten auf Russisch“ mit Wladimir Kaminer an. Es werden säkulare Weihnachtsgeschichten erzählt, die unser Jammern und Leiden an den Verhältnissen etwas relativieren sollen. Und danach wird dann die Russendisko angeworfen, genauer gesagt um 23 Uhr. Laute Nacht, Unheilige Nacht! (Volksbühne, 24. 12., 21 Uhr, 18/14 Euro).