KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Mein Gesamteindruck von 2014: starke Malerei, queere Position in der postkolonialen Kunst, philosophische Science-Fiction und clevere Kunst-Naturexperimente. Am längsten stand ich vor Friedericke Feldmanns schwarz-weißer Wandmalerei „info“ in der Wall Works Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Die Überdimensionalität der scheinbar handgeschriebenen Schriftzüge und Feldmanns Spiel mit Unleserlichkeit machte die Arbeit imposant und intelligent zugleich. Die Galerie Barbara Weiß wählte dann auch Feldmann für ihren abc-Stand aus. Bei der übrigen Berlin Art Week enttäuschte vor allem die Positions. Bis auf die Raumskulpturen von Andrea Knobloch, die Papierarbeiten von Norvin Leineweber und Ali Kaafs organisch anmutende Tuscheausbrennungen schlich sich ein Eindruck von Spießigkeit, gar Gefälligkeit ein. Dreckiger muss es sein. Schmutzig-schön das Element Wasser an anderer Stelle: Erik Steinbrecher sammelte das Salz der Weltmeere und mixte sie im Ozean zu einem Salzwasser-Cocktail zusammen. Sofort verdunstete das Gemisch auf dem Boden zu neuen Salzspuren. Mirja Busch hingegen rettete Pfützen vor der Verdunstung und füllte sie in Flaschen. Die macht sie nie mehr auf, erzählte sie in der Galerie cubus m, der Gestank wäre unerträglich. Dafür lebt das Wasser in ihnen weiter, bildet Algen und wechselt die Farbe. Völlig bunt auch Pinar Yoldas imaginäre Plastiktierchen in der Schering Stiftung. Sie baute Organismen der Zukunft, die einen Weg gefunden haben, in der giftigen Plastikmüllsuppe im Ozean zu überleben. Ihre blauen Insekten sind Science-Fiction, beruhen aber auf wissenschaftlichen Daten: eine Bakterienart ist schon aus dem Plastikpfuhl entstanden. Künstlerische Forschung meint also oft Naturwissenschaften. Eine Reihe postkolonialer Ausstellungen im n.b.k, SAVVY Contemporary und MOMENTUM speiste sich aber auch aus der Geisteswissenschaft – vielleicht etwas zu voraussetzungsvoll auf akademische Theorien und Philosophen bezogen. Am meisten berührt mich unter den Arbeiten Athi-Patra Rugas Videos bei „Perhaps all the Dragons in our Lives are Princesses“ im SAVVY. Mal kletterte er in roten High Heels und Motorradhelm eine Kirchenfassade hinauf, dann ließ er in einer Rückwärtschleife Farbballons auf seinen Körper zurückplatzen. In der Folgeausstellung regnete es Goldstaub aus schwarzen Ballons, die er in einer Live-Performanz laut schnaubend von seinem Körper abplatzen ließ. Queer Symboliken wirkten bei ihm befreiend und schwer zugleich. Das Motto des Jahres ist deshalb: Ob Drachenherzen oder Wasserratten, wir sind alle Prinzess_innen.