THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Nomen est omen, könnte man beim Titel dieses Stückes sagen. „Eine Familie“ heißt es und stammt vom amerikanischen Dramatiker Tracy Letts. Unter anderem mit Meryl Streep und Julia Roberts wurde das böse Generationendrama aus der amerikanischen Provinz verfilmt. Und wenn es nun im Theater am Kurfürstendamm auf die Bretter kommt, führt das Oberhaupt einer veritablen Theaterfamilie Regie: Ilan Ronen, der nicht nur künstlerischer Leiter des israelischen Nationaltheaters Habima in Tel Aviv ist, sondern auch Vater der Regisseurin Yael Ronen und des (gelegentlich auch Regie führenden) Schauspielers Michael Ronen. Worum es im Stück geht? Ein pensionierter Professor verschwindet und nimmt sich das Leben. Die erwachsenen Töchter reisen darauf zu ihrer krebskranken und tablettensüchtigen Mutter. Der Rest ist eine saftige Theaterfamilienschlammschlacht aus Hass, Tränen, Liebe, psychischer und physischer Gewalt. Fettes Theaterfutter also, für das Ilan Ronen ein hochkarätiges Ensemble zur Verfügung hat (Theater am Kurfürstendamm: „Eine Familie“, Premiere: 22. 1., 20 Uhr).

„Blutsbrüder“, der Titel der nächsten Premiere in der Volksbühne klingt auch nach Familie – nach selbst gewählter wenigstens. Es geht um eine Clique sehr junger, sozial entwurzelte Männer, die kurz vor der Machtübernahme durch die Nazis in Berlin zwischen Wärmehallen, Edelbordellen, Kneipen, U-Bahnhöfen und Gartenlauben ihr Unwesen treiben: ein einstmals berühmter Roman von Ernst Haffner, mit dem im 3. Stock der Volksbühne nun der Regisseur Sebastian Kling das Experiment unternimmt, einen Kunstraum aus Theater, Soziallabor, Geschichtsraum und Filmset zu erzeugen. Pate gestanden haben dabei unter anderem Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ und die „Street Gang Theory“ des amerikanischen Behavioristen George C. Homans. So verspricht es zumindest die Volksbühne (Volksbühne: „Blutsbrüder“, Premiere 22. 1., 20 Uhr).

Eine Bande steht auch im Zentrum der neuen Produktion des Theaterdiscounters. Eine Bande von alten Damen nämlich. Die wehrt sich gegen die Vertreibung aus ihrem Viertel, das von Geschäftemachern übernommen worden ist. Das Ensemble mit dem schönen Namen „Mariakron“ hat unter Leitung von Regisseur Cornelius Schwalm Jean Giradoux’ Pariser Spekulantensatire von 1943 „Die Irre von Chaillot“ um eine Gruppe alter schrulliger Damen und ihren Kampf gegen Spekulanten, die Paris wegen eines vermuteten Erdölvorkommens sprengen wollen, in Berliner Verhältnisse von heute übersetzt (Theaterdiscounter: „Die Irre von Chaillot“, 22., 23., 24., 25. 1. 2015).