betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Das Thema ist ebenso schmerzhaft wie heikel: der Genozid an den Armeniern im Jahr 1915, für den das Osmanische Reich verantwortlich gemacht wird – genauer gesagt der damalige jungtürkische Kriegsminister Talaat Pascha, der 1921 in Berlin-Charlottenburg einem Attentat zum Opfer fiel. Die Armenier, nach den Griechen die zweitgrößte Minderheit im Osmanischen Reich, fordern seit Jahrzehnten ein angemessenes Gedenken an diese Katastrophe, die durch umfangreiches dokumentarisches Material belegt ist. Und Hunderttausende das Leben kostete. Die Türkei hat darauf allerdings eine andere Sicht und erkennt den Genozid bis heute nicht als historische Tatsache an. Zu den Dokumenten zum Genozid gehören auch Aufzeichnungen von den Kämpfen auf dem Musa Dagh – einem Berg im Süden der Türkei, auf den sich im Sommer 1915 etwa 4.000 Armenier geflüchtet hatten und dort unter dem Kommando von Moses Der Kalousdian kämpften, bis sie nach fast zwei Monaten von der französischen Armee gerettet wurden. Bereits Anfang der 1930er Jahre wertete der Schriftsteller Franz Werfel Zeugnisse dieses Widerstandes aus, die zur Grundlage eines seiner bedeutendsten Romane wurden: „Die vierzig Tage des Musa Dagh“. Der Roman, der 1933 in Deutschland erschien, wurde kurz darauf von den Nazis verboten, Werfel selbst ging ins Exil. Das Gorki Theater hat dem hundertsten Jahrestag des Völkermordes nun die Veranstaltungsreihe „Es schneit im April“ (7. 3.–25. 4.) gewidmet. In „Musa Dagh – Tage des Widerstands“, legte nun Dokumentartheatermacher Hans-Werner Kroesinger Werfels Roman einem Abend zu Grunde, der Passagen daraus mit dokumentarischem Material konfrontiert und sich davon auch Erkenntnisse über die Frage verspricht, wie historische Wahrheiten überhaupt zustande kommen (Gorki Theater, Premiere: 7. 3., 19 Uhr).

Im Rahmen von „Es schneit im April“ wird auch ein früheres Kroesinger-Projekt zum Thema wiederaufgenommen: „History Tilt“ setzt sich mit dem Berliner Attentat vom 15. März 1921 auf Taalat Pascha durch einen jungen Armenier auseinander – und mit dem Schweigen über den Völkermord (Gorki Theater: „History Tilt“, 12. 3., 20 Uhr).

An der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wird auf das imperialistische Erbe unseres Vaterlandes mit Ironie geblickt: in der Rolle des Eisernen Kanzlers ist am 8. März (also fast an seinem 200. Geburtstag) die Schauspielerin Sophie Rois zu sehen. „La Bismarck“ heißt das Spektakel mit viel klassischer Musik, in dem unter anderem Volker Spengler nicht nur Bismarcks Tochter sondern auch die Siegessäule mimen wird (Volksbühne: „La Bismarck“, 8. 3., 20 Uhr).