Kolumne Klatsch: Die spinnen, die Italiener

In jedem Italiener stecken ein Clown und ein Staatsmann: Genau diese Mischung macht sie so sympathisch.

Mit den Berlusconi-Wählern ist es ein wenig wie mit den deutschen Großvätern und der NSdAP. Man weiß, es müssen viele gewesen sein, aber finden tut man nur ganz, ganz wenige. Ich habe in diesen Sommerferien wieder viele Italiener gefragt, aber gefunden habe ich nur den alten Antonio, von dem ich es auch schon ahnte. Ich kann mich noch an sein entsetztes Gesicht erinnern, als er vor etwa zwanzig Jahren das erste Mal einen Schwarzafrikaner im Dorf sah, der dort von Haustür zu Haustür Wäscheklammern aus Plastik verkaufte. "Ci sono negri a Talla!" - es sind Neger in Talla! -, rief Antonio mir am Nachmittag zu und bat mich, die Schranke zu seiner Hauszufahrt von nun an immer geschlossen zu halten.

Gestern las ich in der Lokalzeitung meines Urlaubsortes, dass der Bürgermeister eines kleinen Städtchens in Ligurien die Eröffnung eines Kebab-Imbisses mit Erfolg verhindert habe. Kebab passe nicht zur italienischen Kultur. Auf derselben Seite der Zeitung stand noch eine Meldung, dass man muslimischen Jugendlichen in der Provinz Venetien untersagt habe, während des nun einsetzenden Ramadans öffentlich zu beten. Das störe die Gefühle der katholischen Mehrheit.

Mir gefällt Italien. Nirgendwo anders auf der Welt sind alle Dinge immer auch ihr Gegenteil. Berlusconi zum Beispiel ist auf der einen Seite der Ministerpräsident des Landes. Auf der anderen Seite ist er ein Clown. Ich wüsste kein Land, in dem die Bürger das ertragen würden. Oder nehmen wir die Radarfallen auf der italienischen Autobahn. Man darf nicht zu schnell fahren, das weiß man auch hier. Aber andererseits sollte man die Menschen deswegen auch nicht allzu hart bestrafen. Also gibt es ein Gesetz, wonach Radarfallen auf der Autobahn gut sichtbar gemacht werden müssen. Ein von weitem schon erkennbares Schild mit einer Polizeimütze lässt jedem Raser die Chance, vor der Radarfalle rechtzeitig abzubremsen, einem Bußgeld zu entgehen und dahinter wieder zu beschleunigen.

So menschenfreundlich ist man hier. Ich möchte euch küssen, meine lieben italienischen Freunde, ihr macht mir so viel Freude!

Gestern zum Beispiel brachten sie mich beim Lesen meines italienischen Autoatlas heftig zum Lachen. Wo gibt es das? Ein Autoatlas ist in anderen Ländern nur ein Autoatlas. Aber in Italien ist er eben auch eine Quelle der Freude. Auf der letzten Seite dieses Atlas ist Raum "für Notizen" frei gehalten, mit dem Hinweis an die "lieben Leser", bitte einzutragen und an den Verlag zu senden, falls man "Tunnels, Brücken oder Autobahnstrecken" findet, die noch nicht im Atlas angegeben sind. Ist das nicht lustig? "Sehr geehrter Verlag, habe soeben einen Autobahntunnel zwischen Bologna und Florenz gefunden, der in Ihrem neuesten Werk noch nicht berücksichtigt wurde. Mit freundlichen Grüßen, Berlusconi."

Noch ein anderes Beispiel aus meinem Lieblingsdorf: Es gibt dort einen kleinen Metzgerladen in dem die Metzgerin jeden Kunden mit Vornamen anspricht. Im vergangenen Jahr musste man plötzlich, bevor man bedient werden wollte, eine Nummer ziehen, die dann auf einer Digitalanzeige an der Wand hinter ihr aufleuchtete - wie bei deutschen Ämtern. Die Metzgerin besteht auch dann darauf, einen Nummer zu ziehen, wenn kein anderer Kunde im Laden steht.

Es ist alles so und doch nicht so. In jedem Italiener stecken ein Clown und ein Staatsmann. Das ist die philosophische Botschaft von Silvio an die ganze Welt: Du kannst alles sein, du musst nur wollen. Du bist ein Idiot und ein großartiger Mensch. Ich bin dabei, Berlusconi zu lieben.

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Journalist, Mitbegründer der Zeitenspiegel-Reportageschule, hält Brandenburg für die neue Toskana.

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