Kolumne Nebensachen: "Entweder Popo oder Orden"

Die enttarnte russische Spionin Anna Chapman geht ihre zweite Karriere an. Doch die geschäftstüchtige Selbstvermarkterin sorgt damit für Verstimmung.

Nach Wladimir Putin hat Russland nun auch eine weibliche Kultfigur. Sie ist 28 Jahre alt, mit wallenden, langen, roten Haaren, langbeinig und verführerisch proportioniert. Anna stammt aus Wolgograd und hieß mit Mädchennamen Kuschtschenko.

Die Welt kennt sie seit dem Sommer jedoch als Anna Chapman oder auch als "Agentin 90-60-90". Sie gehörte zu einem russischen Spionagering von elf illegalen Residenten, den das FBI im Juni in den USA aushob. Seither avancierte die Russin in westlichen Medien zum Bondgirl mit echter Berufserfahrung.

Nachdem pikantere Details aus ihrem Privatleben bekannt wurden, glaubte die Pornobranche gar, die "Agentin 00sex" sei fleischgewordene Inkarnation einer ihrer fiktiven Heldinnen und warb um ihr Mittun. Auch der Playboy wollte die entschärfte Agentin zum Covergirl machen. Die Patriotin lehnte schlüpfrige Westofferten ab. Zumal die Enttarnung der teuren Residenten daheim schon für genügend Häme sorgte.

Klaus-Helge Donath ist Russland-Korrespondent der taz.

Patriotischer Diskurs und internationale Resonanz auf Annas Qualitäten verkehrten das Debakel indes in einen Erfolg. Präsident Dmitri Medwedjew zeichnete Anna letzte Woche für Verdienste für das Vaterland mit dem "Stern des Helden" aus.

Für Verstimmung sorgte indes, dass die geschäftstüchtige Selbstvermarkterin zwei Tage später als Strapsträgerin auf dem Titelblatt des russisch-patriotischen Herrenmagazins Maxim posierte. "Entweder Popo oder Orden. Beides zusammen geht nicht", wütete die Boulevardzeitung Moskowski Komsomolez.

Im Interview mit Maxim plaudert Chapman seicht über Männer und Liebe. So fühlt sich Chapman nur von Herren angezogen, die in einigen Dingen besser sind als sie. Ein Mann, der Mitleid erregt, hätte bei ihr keine Chance.

Die "Veteranin" entpuppt sich als typische Vertreterin der Generation Putin: Sie hantiert mit raffinierten technischen Geräten, umgibt sich mit der Aura von Hypermodernität, im Innern rumpelt jedoch ein hölzernes Herz. Als Frau dürfte sie mehr Schaden anrichten, denn als Spionin. "Sie hat für unseren Nationalstolz mehr getan als die Fußballmannschaft und die Atomrakete Bulawa", lobpreist Maxim.

Zur Erinnerung: Die Nationalelf verpasste die WM-Qualifikation, und die Atom-U-Boote liegen unbewaffnet im Eismeer, weil sie mit ihren Raketen seit Jahren das Ziel verfehlen.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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