Kommentar Todesstrafen-Initiative in Schweiz: Angst in den Alpen

Die Todesstrafe funktioniert nicht als Mittel der Abschreckung. Aber Teile der politischen Klasse in der Schweiz schüren erfolgreich Ängste vor möglichen Bedrohungen.

Wird die Schweiz die Todesstrafe wieder einführen? Nein, nein, so weit werde und könne es nicht kommen, beschwichtigt die politische und juristische Elite der Alpenrepublik von Mitte bis links. Denn dagegen stehe das "zwingende Völkerrecht" in Form der Europäischen Menschenrechtskonvention, welche auch die Schweiz ratifiziert habe.

Doch so zutreffend das völkerrechtliche Argument gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe auch sein mag - für die politische Debatte und als Mittel der Überzeugung reicht es nicht aus. Viel wichtiger wäre da etwa der Hinweis, dass die Todesstrafe bislang nirgendwo auf der Welt als Mittel der Abschreckung funktioniert hat.

Was aber sind die Beweggründe und Ziele derjenigen, die nun ein Referendum zu dieser Frage initiiert haben? Die Schweiz ist nicht nur eines der reichsten und stabilsten Länder der Welt. Sie weist im europäischen Vergleich auch die niedrigste Rate bei Kapitalverbrechen und bei Sexualstraftaten auf. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen? - sind die Ängste vor allen möglichen inneren und äußeren Bedrohungen in der Schweiz größer als in anderen Ländern. Teile der politischen Klasse schüren und instrumentalisieren diese Ängste mithilfe bestimmter Medien immer wieder erfolgreich für ihre Interessen.

Es wäre ein Kurzschluss, die Volksinitiative für die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Schweiz als Bestätigung zu sehen für gängige Bedenken, die in Deutschland immer wieder gegen eine Erweiterung der repräsentativen Demokratie durch plebiszitäre Elemente ins Feld geführt wird. Die Initiative sendet ein frühzeitiges Warnsignal, auf das die Öffentlichkeit in der Schweiz und im Ausland diesmal hoffentlich nicht nur mit Empörung und völkerrechtlichen Bedenken reagieren wird.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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