Kommentar Hartz-IV: Auch Arbeitslose sind Konsumenten

Am Montag beschließt die große Koalition das zweite Konjunkturprogramm. Wichtig wäre eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes für Kinder und Jugendliche.

Es wirkt immer ein wenig beliebig, wenn große politische Entscheidungen bevorstehen - und alle Interessengruppen erst einmal altbekannte Forderungen erheben. Doch ohne eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes für Kinder und Jugendliche darf das zweite Konjunkturprogramm, über das die große Koalition am Montag verhandeln will, das Parlament nicht verlassen. Denn es ist ökonomisch weder logisch noch sinnvoll, die geplanten Geldgeschenke allein den Steuer- und Beitragszahlern zugute kommen zu lassen. Wenn die Binnennachfrage gestärkt werden soll, ist der Konsum von Arbeitslosen hierfür mindestens so geeignet wie der Konsum aller anderen Bevölkerungsgruppen.

Dass Kinder und Jugendliche nur 60 beziehungsweise 80 Prozent dessen bekommen, was ihre Eltern an Unterstützung beziehen, war sowieso noch nie logisch oder gar moralisch begründbar. Wer sich das ausgedacht hat, musste offenbar selbst noch nie dafür sorgen, dass sein Nachwuchs regelmäßig passende Schuhe bekommt. Und jeder weiß, dass ein 15-jähriger Teenager am Tag ein Vielfaches von dem wegfuttert, was seine Mutter isst.

Nun haben Union wie SPD große Angst davor, dass wieder Berichte die Runde machen über Hartz-IV-Familien, die pro Monat 2.000 Euro beziehen und damit fürs Nichtarbeiten mehr bekommen, als der Mehrheit der Arbeitnehmer bleibt. Die meisten ihrer Wähler unterstützen das sogenannte Lohnabstandsgebot, wonach mehr haben soll, wer arbeitet. Doch um dieses Dilemma kommt eine Gesellschaft, die ihre Arbeitslosen nicht einfach fallen lassen will, nicht herum. Eine menschenwürdige staatliche Unterstützung lässt sich nicht mehr unter das Niveau der deutschen Niedrigstlöhne drücken. Umgekehrt gilt: Selbst ein ordentlicher Mindestlohn kann das Problem der Leistungsgerechtigkeit nicht ausräumen, denn mit 2.000 Euro netto ist ein arbeitender Haushaltsvorstand längst aus allen Mindestlohngefilden heraus.

Eine Chance aber gibt es für eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze: 2009 werden aller Voraussicht nach viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Den einen oder anderen davon könnten Union und SPD als Wähler halten - oder sogar gewinnen wollen.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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