Kommentar Sarrazin: Chance verpasst

Die Entscheidung, Thilo Sarrazin in der SPD zu behalten, ist feige. Die SPD tut sich schwer mit parteischädigendem Verhalten. Und sicher ist: Die nächsten dummen Sprüche folgen

Ein Parteiausschluss sollte stets das letzte Mittel sein. Die Frage ist zudem: Was bringt diese symbolische Geste überhaupt? Schließlich besteht immer die Gefahr, aus einem eitlen Dummschwätzer wie Thilo Sarrazin einen Märtyrer der Meinungsfreiheit zu machen, wenn man ihn für seine Äußerungen mit Ausschluss bestraft.

Trotzdem, im Falle des früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin ist die Entscheidung, ihn in der Partei zu behalten, ausgesprochen feige. Sarrazins Äußerungen über Einwanderer seien nicht im klassischen Sinne rassistisch, also biologisch begründet gewesen, befand die Schiedskommission. Immerhin habe sich die Häme des Bundesbank-Aufsichtsrats auch gegen Teile der deutschen Bevölkerung gerichtet. Ach was. Das genau war doch der Skandal: dass Sarrazin seine Ressentiments gegen Hartz-IV-Bezieher nun mit Seitenhieben gegen türkische und arabische Einwanderer rassistisch aufgeladen hatte. Dass er von biologistischem Denken nicht frei ist, zeigte sein peinlicher Vergleich mit osteuropäischen Juden, denen er einen höheren IQ attestierte.

Auffällig ist, wie schwer sich die SPD damit tut, auf parteischädigendes Verhalten zu reagieren. So war es schon, als Wolfgang Clement der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti im Wahlkampf vors Schienbein trat. So ist es nun im Fall Sarrazin, der gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen austeilt. Auch die CDU musste sich erst dazu durchringen, ihren Abgeordneten Martin Hohmann wegen antisemitischer Äußerungen auszuschließen - aber sie hat es getan. In der SPD dagegen war man von Anfang an daran interessiert, den Streit zu verschleppen und ihn jetzt betont beiläufig beizulegen.

Es spricht wenig dafür, dass der Konflikt damit aus der Welt ist. Denn so, wie man Sarrazin kennt, wird er sich durch das Urteil bestätigt fühlen und künftig erst recht kein Blatt vor den Mund nehmen. Gut möglich also, dass sich die SPD bald wieder mit seinen dummen Sprüchen wird beschäftigen müssen.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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