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Reformen wird es wohl nur ohne Frau Merkel geben, selbst die Kraft zu einer kleinen Not-Operation Steuerreform fehlt. Verhängnisvoll für unser ganzes Land. Hannelore Kraft hat doch mehr wirtschaftspolitischen Sachverstand als Merkel und Rüttgers zusammen.
Die Stärke der Frau Merkel beruht einzig auf der Schwäche der anderen. Das
gilt innerparteilich genauso, wie gegenüber der Opposition. Hätten sich
Koch, Wulff und Merz vor Jahren auf einen CDU Vorsitzenden aus ihren Reihen
einigen können, Merkel wäre nie Kanzlerin geworden. Die SPD als Opposition
ist nach dem Weggang des starken Kanzlers Schröder eine Partei, bei der seit
Jahren wechselnde Insolvenzverwalter an der Spitze stehen, erst zweitklassig
wie Müntefering, heute ein Herr Gabriel aus der einst vierten Reihe.
In dieser Lage konnte Frau Merkel der CDU ihren Kurs der
Sozialdemokratisierung aufzwingen. Statt nun mutig, mit einer reformbereiten
FDP an der Seite, die notwendigen und versprochenen marktwirtschaftlichen
Korrekturen in unserem Land vorzunehmen, setzt die CDU Vorsitzende
strategisch auf das Scheitern der eigenen Regierung und beginnt die CDU auf
die Grünen hin auszurichten, um sich ihre Macht zu sichern. Machterhalt
allein ist aber keine verantwortliche Politik.
So mag es denn ironischerweise, gerade für liberal-konservativer Wähler, die letzte Hoffnung sein, einen Sieg der wirtschaftspolitisch mit dem FDP-Chef Westerwelle und dem hessischen Ministerpräsidenten Koch auf einer Linie befindlichen SPD Kandidatin Hannelore Kraft in NRW herbei zu sehnen. Denn: scheitert Merkel Statthalter links-grüner Politik in Düsseldorf, Herr Rüttgers, so gäbe das der CDU die Kraft zurück, zu sich selbst, zu einer mutigen Reformpolitik und weg von der düsteren Frau mit der FDJ Vergangenheit zu finden.
Es wäre eine gerade noch rechtzeitige Niederlage, die mittelfristig zum Sieg werden könnte.
Ich befürchte, Frau Merkel lauert weniger auf die Fehler ihrer Regierungsmannschaft als auf die anstehende Wahl in NRW. Wenn Merkel sich bislang zu den Querelen in der Regierungskoalition geäußert hat, hat sie in der Regel die PR-Exzesse von Guido und Co. in Schutz genommen.
Nach der NRW-Wahl wird die Regierung uns die Rechnung für die Finanz-/Wirtschaftskrise präsentieren und mit willfähriger Unterstützung der Medien den Menschen weis machen, dass dies zu unser aller Vorteil sei, denn "so kann es nicht weiter gehen", und "unser Vorgehen ist alternativlos" !
So werden die Reichen im Lande noch reicher und die Armen noch ärmer, was unter Schwarz-Geld zumindest nicht so enttäuschend ist wie unter Rot-Grün, weil man von der derzeitigen Regierungskonstellation ohnehin nichts anderes erwarten konnte.
Wenn wir also das nächste Mal an die Urne gerufen werden, um unsere Stimme darin zu bestatten, damit "Leistung sich wieder lohnt", sollten wir kurz inne halten und uns fragen, wessen Leistung sich hier für wen lohnen soll.
Merkel macht das, was Statthalter des imperium romanum vor rund 2 tausend Jahren auch schon erfolgreich gemacht haben - Steuern eintreiben und politische Neutralität waren.
Bezeichnend: Vor gut einem Jahr begrüßte unsere knuffige Angela "Kaiser Obama" in Deutschland mit den Worten: "Willkommen in den Vereinigten Staaten".
Soviel schrilles Streit-Gequatsche gab es in einer Regierung noch nie. Das beschädigt die Kanzlerin. Es ist Ergebnis der massiven Interessensgegensätze quer durch die Parteien und der treibenden Sozialängste in der Gesellschaft und in den Parteien. Auch Politiker können schnell abstürzen (Beckstein, Huber, Oettinger, Steinbrück, Müntefering, Käsmann).
Da muss ein sozioökonomisches Gesamtkonzept her und Frau Merkel kann lauern und warnen wie sie will - hier müsste sie sich mehr als nur ein paar vernünftige Gedanken machen. Aber konstruktiv Vorwärtsdenken ist ihre Stärke nicht.
Der ehemalige Grünen-Fraktionschef nimmt Volker Wissing in die Verantwortung. Deshalb stimmt er gegen die Aufweichung der Klimaziele.
Kommentar Schwarz-Gelb: Die lauernde Kanzlerin
Merkel ist seit fünf Jahren an der Macht, weil sie ihre relative Machtlosigkeit akzeptiert. Sie führt, wohin die Mehrheiten drängen. Sie regiert, indem sie lauert.
Eine Bundeskanzlerin kann sich vor Ratschlägen kaum retten. Auch diesmal wussten viele Kommentatoren genau, was Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung ansprechen sollte. Sie sollte sich zur Gesundheitsreform positionieren, ihre Meinung zu AKW-Laufzeiten kundtun, sich zu Westerwelle äußern - und natürlich erklären, wie Deutschland jemals seine Schulden loswerden soll.
Wenig erstaunlich: Merkel hat diese Ratschläge nicht beherzigt. Sie hat sich durch ihre Rede geschwiegen. Sie hat zwar viele Themen berührt, blieb aber unverbindlich. Das kann man enttäuschend finden, es dürfte aber für Merkel die beste Strategie sein. Sie blieb ihrer Taktik treu, einfach abzuwarten, bis sich die Konflikte von selbst erledigen.
Man könnte auch sagen: bis sich ihre Kontrahenten selbst erledigen. Warum, zum Beispiel, sollte sie Gesundheitsminister Rösler bloßstellen, wenn doch sowieso klar ist, dass seine Kopfpauschale niemals kommt? Die Bevölkerung will sie nicht, und zu finanzieren ist sie auch nicht. Irgendwann wird Rösler dies selbst einsehen müssen. Merkel kann nichts dabei gewinnen, wenn sie vom Rednerpult aus chaotischen Koalitionspartnern Nachhilfeunterricht erteilt.
Stattdessen kann sie nur davon profitieren, wenn FDP und CSU rund um die Kopfpauschale in einen Dauerstreit treten. Die beiden kleinen Parteien wollen sich dringend profilieren, sind also pathologisch streitsüchtig. Da ist es doch am besten, sie beharken sich gegenseitig und lassen die CDU samt Kanzlerin weitgehend in Ruhe.
Von Anfang an ist sich Merkel treu. Sie regiert, indem sie lauert. Sie handelt nicht, sie vermeidet. Sie macht kaum Fehler, also kann sie auf die Fehler der anderen warten. Es wäre ein Missverständnis, diesen Regierungsstil als "präsidial" zu bezeichnen. Denn Merkel schwebt nicht über den Konflikten - sie nutzt sie aus. Das ist nicht nur Kalkül: Sie hätte auch gar nicht die Macht, die Konflikte per Machtwort zu beenden. Sowohl FDP wie CSU wollen die Konfrontation.
Die Kanzlerin ist seit fünf Jahren an der Macht, weil sie ihre relative Machtlosigkeit akzeptiert. Sie führt, wohin die Mehrheiten drängen - in ihrer Partei, in der Koalition und an den Urnen. Das nächste Signal, das sie sehr ernst nehmen wird, sind die Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Das gibt den Wählern dort sehr viel Macht, auch über die Bundespolitik. Das sollten die Bürger dort nutzen.
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Kommentar von
Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).