Kommentar Krise in Korea: Die Ratio des ewigen Diktators

Südkorea kann gegen die Angriffe des Nordens nichts unternehmen, solange Peking die Vereinigung der beiden Koreas um jeden Preis verhindern will.

Die einen sind arm und schießen, die anderen sind reich und reden. So sieht das asymmetrische Verhältnis der koreanischen Teilstaaten heute aus. Auch im 21. Jahrhundert bedeutet die Versenkung einer Korvette eine klassische Kriegserklärung: Ohne Provokation feuerte ein U-Boot ein Torpedo auf die südkoreanische "Cheonan" ab, die auf ihrer Seite der Seegrenze patrouillierte. Experten haben Nordkoreas Urheberschaft für den Tod von 46 Soldaten eindeutig festgestellt.

Dennoch hat Südkorea jede militärische Antwort vermieden und sehr kontrolliert reagiert: Über zwei Monate nach dem Zwischenfall stellt Seoul nur den ohnehin bescheidenen innerkoreanischen Handel ein und plant ein Seemanöver mit den USA sowie Propaganda-Durchsagen an der Grenze. Der Süden will zwar vor dem UN-Sicherheitsrat schärfere Sanktionen gegen Pjöngjang verlangen, doch wird das wenig bringen. Schon die bestehenden UN-Handelsbeschränkungen sind die härtesten, die je gegen eine Nation verhängt wurden. Ein Land, das sich freiwillig abschottet, ist eben nur schwer mit Isolation zu bestrafen.

So akzeptiert Südkoreas konservativer Präsident Lee Myung Bak die frustrierende Lektion, dass er der Willkür von Nordkoreas Regime ausgeliefert ist. In seinen Reaktionen muss Lee nämlich Rücksicht nehmen auf den südkoreanischen Finanzmarkt und die Geschäfte der Konzerne Samsung und Hyundai. Demgegenüber kann sich Nordkoreas Führer Kim Jong Il als guter Machiavelli-Schüler ganz auf den eigenen Machterhalt konzentrieren. Diesem Ziel dient seine bewährte Taktik, durch militärische Eskalationen seine Gefährlichkeit zu demonstrieren und so politische und wirtschaftliche Zugeständnisse zu erpressen. Wahlweise setzt er dabei Atombomben, Raketen, Torpedos oder die auf Seoul gerichteten Geschütze als Druckmittel ein.

Auch die innerkoreanische Entspannung, für die Präsident Kim Dae Jung im Jahr 2000 den Friedensnobelpreis erhielt, ist dieser Taktik jetzt zum Opfer gefallen, weil Südkorea seine Hilfe von nördlichen Zugeständnissen abhängig gemacht hat. Führer Kim wendet sich daher vom Süden ab und sucht den Schulterschluss mit seinem einzigen Verbündeten China. Peking soll ihn dafür bezahlen, dass er in Pjöngjang an der Macht bleibt, damit es nicht zu Flüchtlingsströmen oder gar einer Wiedervereinigung kommt, die US-Truppen an Chinas Grenze bringen würde.

Mit dem Torpedoschuss im Gelben Meer verfolgt der "geliebte Führer" noch ein höheres Ziel: Kim will seinen dritten Sohn, Jong Un, bis zum Jahr 2012, wenn sein eigener Vater und Staatsgründer Kim Il Sung 100 Jahre alt werden würde, als seinen Nachfolger installieren. Die Versenkung der "Cheonan" zeigt Nordkoreas Elite in Armee und Partei, wer der uneingeschränkte Herrscher im Lande ist. Der Norden ist nämlich nur formal kommunistisch. Vielmehr ähnelt sein Machtsystem einer Monarchie im koreanischen Mittelalter, in der die Kim-Dynastie ihre Erbfolge durchsetzen will. Bis dahin werden Nordkoreas Nachbarn noch einige Provokationen ertragen müssen.

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Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.

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