Kommentar Linke-Enwurf: Liebe zum Nein ist kein Parteiprogramm

Die Linkspartei aber scheint außer dem nicht sonderlich originellen Vorschlag, Banken und Konzerne zu verstaatlichen, keine vorwärtsweisende Idee zu haben.

Oskar Lafontaine hat kürzlich mal definiert, was die Linkspartei im Kern ausmacht. Man soll sie daran erkennen, dass sie etwas keinesfalls machen wird: Kriegsbeteiligungen und Sozialkürzungen. Mit diesem großen Nein hat die Linkspartei erstaunliche Erfolge erzielt. Sie hat, bei Hartz IV, dem Mindestlohn und Afghanistan, die öffentliche Debatte verschoben. Allerdings ist dies ein Ruhmesblatt, das derzeit verwelkt. Die SPD rückt in der Opposition langsam nach links. Und für die Linkspartei schiebt sich eine ungemütliche Frage nach vorne: Was will sie jenseits von Nein?

Wie bleischwer der Partei diese Antwort fällt, bezeugt das lange erwartete Grundsatzprogramm der Partei. Solche Texte sind auch bei der Konkurrenz stets in schwergängigem Politsprech gehalten. Aber dieser Entwurf, der sich passagenweise wie ein Gewerkschaftspapier liest, ist größtenteils schlicht unbrauchbar. Im Ton routinierter Anklage und in ermüdender Wiederholung wird dem Kapitalismus die Maske heruntergerissen. Hier die Massen, die ins Elend stürzen, dort bedenkenlose Profitgier und ein nahezu korruptes politisches System - so das monochrome Bild. In dieser Sichtweise sind Gut und Böse klar verteilt. War es nicht mal so, dass sich Marxisten besonders für Widersprüche interessiert haben?

Es stimmt: Wir brauchen mehr Staat, Umverteilung von oben nach unten und eine stärkere Fesselung der Marktkräfte. Die Linkspartei aber scheint außer dem nicht sonderlich originellen Vorschlag, Banken und Konzerne zu verstaatlichen, keine vorwärtsweisende Idee zu haben. Die neuen Konfliktlinien in einer älter werdenden Gesellschaft tauchen der Einfachheit halber mit keinem Wort auf. Demografie ist aber keine Erfindung des Klassenfeinds. Und die Umwälzungen des digitalen Zeitalters werden höchstens am Rande erwähnt.

Mit Parteiprogrammen verhält es sich so ähnlich wie mit Mahnmalen. Ihr Zweck ist nicht nur das Ergebnis, ihr Sinn ist ebenso die Auseinandersetzung darüber. Für die Linkspartei, die in Ost und West und viele verfeindete Strömungen und Gruppen zerfällt, ist dieser Selbstverständigungsprozess überfällig. Ende 2011 soll das Grundsatzprogramm beschlossen werden. Dann wird man wissen, ob sich die Linkspartei, weltanschaulich gefestigt, in ihrer Nische einbunkert oder ob sie doch noch das Fenster zur Gesellschaft aufmacht.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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